Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 4/19 R

Verhandlungstermin 08.10.2019 10:40 Uhr

Terminvorschau

Universitätsklinikum Tübingen ./. DAK-Gesundheit
Der bei der beklagten KK versichert gewesene, 1944 geborene K. litt an einer chronischen lymphatischen Leukämie. Ab 2001 wurde er einmal mit sechs Zyklen und danach zweimal mit jeweils drei Zyklen Chemotherapie behandelt. Aufgrund einer Anfang 2004 erneut festgestellten erheblichen Tumorlast nahm das klagende Universitätsklinikum den Versicherten am 7.2.2004 stationär auf und führte nach einer dosisreduzierten Konditionierung eine fremd-allogene SZT durch (17.2.2004). Der Versicherte verblieb bis zum 15.3.2004 in vollstationärer Behandlung. Nach Wiederaufnahme des Versicherten in die stationäre Behandlung (13.4.2004) wegen Graft-versus-Host-Disease (Grad IV) verstarb er am 25.7.2004. Der Kläger berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) A04A (Knochenmark-transplantation/Stammzelltransfusion, allogen, HLA verschieden, 113 300,29 Euro; 15.5.2004). Die Beklagte beglich zunächst die Rechnung. Nach Einholung einer Stellungnahme des MDK, dass die SZT aufgrund ihres experimentellen Charakters nur im Rahmen einer klinischen Studie hätte erfolgen dürfen, forderte sie vergeblich 113 300,29 Euro sowie 80 Euro Zuzahlungen zurück und rechnete diese Beträge mit unstreitigen Forderungen des Klägers aufgrund der Behandlung anderer Versicherter auf. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 113 300,29 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Dem Kläger stehe der Vergütungsanspruch zu. Er habe mit seiner Leistung den Anspruch des Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgung mit der SZT nach den Grundsätzen über die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts erfüllt. Die SZT sei die einzige kurative Behandlungsoption gewesen (transplantationsbedingte Mortalität: 25 vH, rückfallfreie Überlebenschance 60 vH). Die nach damaligem Kenntnisstand verbliebene palliative Behandlung mit Alemtuzumab hätte statistisch einen Überlebensvorteil von 16 Monaten eröffnet und die Erfolgsaussichten der SZT verschlechtert. Die Teilnahme an einer Studie gehöre weder zu den Leistungs- noch zu den Abrechnungsvoraussetzungen. Auch liege eine wirksame Einwilligung nach umfassender ärztlicher Aufklärung vor.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V, § 7 Satz 1 Nr 1 KHEntgG iVm KFPV 2004 und § 17b KHG, § 2 Abs 1 Satz 3 und Abs 4, § 12 Abs 1 Satz 2, § 39 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Reutlingen - S 1 KR 1048/11, 11.02.2015
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 4 KR 1056/15, 23.02.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 46/19.

Terminbericht

Die Revision der beklagten KK ist im Sinne der Zurückverweisung erfolgreich gewesen. Ob die Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Erstattung von 113 300,29 Euro den eingeklagten Vergütungsanspruch des klagenden Universitätsklinikums erfüllte, der die Behandlungen anderer Versicherter betrifft, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die an den Kläger gezahlte Vergütung für eine SZT bei dem Versicherten K. begründet keinen Erstattungsanspruch, wenn der Kläger mit der SZT den Behandlungsanspruch der Versicherten aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts gegen die Beklagte erfüllte. Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Behandlung hierbei unwirtschaftlich war, weil sie sich weniger eignete als eine Alternative. Ist nach dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis die eine Behandlung im Rahmen einer klinischen Studie geeigneter als die andere und dem Versicherten faktisch zugänglich, besteht nur Anspruch auf die geeignetere Behandlung. Das Krankenhaus hat den Versicherten auch über das Erfordernis einer Behandlung im Rahmen einer klinischen Studie und die Möglichkeiten einer Einbeziehung aufzuklären, um eine wirksame Einwilligung als weitere Vergütungsvoraussetzung zu ermöglichen. Das LSG hat weder Feststellungen zu diesem während des gesamten Verfahrens streitigen Erfordernis noch zur Möglichkeit der Einbeziehung des Versicherten in die CLL3X-Studie noch zu seiner gegebenenfalls gebotenen Aufklärung hierüber getroffen. Dies wird es nunmehr nachzuholen haben.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 46/19.

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