Verhandlung B 2 U 24/17 R
Verhandlungstermin
26.11.2019 11:00 Uhr
Terminvorschau
T. R. ./. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als mitarbeitender Familienangehöriger in dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1990 geborene Kläger stürzte bei Holzarbeiten im Staatsforst und erlitt eine Luxation des linken Schultergelenks. Das geschlagene Holz sollte ausschließlich der Versorgung der Großeltern des Klägers (Altenteiler) mit Brennholz dienen. Die Mutter des Klägers betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne forstwirtschaftliche Flächen, den sie von ihren Eltern, den Altenteilern, übernommen hat. Im Übergabevertrag ist geregelt, dass die Großeltern das gesamte Anwesen der Mutter des Klägers zum Alleineigentum übergeben. Als "Gegenleistungen" sieht der Übergabevertrag ua ein Wohnungsrecht, freie Beheizung, Beleuchtung, Wasser- und Strombezug und die vollständige Verköstigung in den Austragsräumen vor. Die Haushalte der Altenteiler und der Mutter des Klägers sind räumlich getrennt. Die Altenteiler wohnen in der 67 qm großen alten Hofstelle, die ausschließlich mit Holz beheizt wird. Auch die Warmwasserbereitung erfolgt durch einen Badeofen. Der Kläger bewohnt ein Zimmer im Haushalt seiner Mutter, das, wie der gesamte Haushalt der Mutter, zentral beheizt wird. Die Beklagte lehnte die Entschädigung als Arbeitsunfall ab. Das SG hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, weil von einem inneren Zusammenhang des Holzeinschlagens mit dem landwirtschaftlichen Betrieb der Mutter auszugehen sei. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar sei der Kläger als nicht nur vorübergehend in dem landwirtschaftlichen Unternehmen der Mutter tätiger Familienangehöriger nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII versichert gewesen. Die Holzarbeiten hätten jedoch in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen gestanden. Das Fällen der Bäume habe weder dem landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mutter noch dem Haushalt eines landwirtschaftlichen Unternehmens gedient. Forstwirtschaftliche Flächen gehörten gerade nicht zum Unternehmen und seien daher von der Mitgliedschaft der Mutter des Klägers bei der Beklagten grundsätzlich nicht umfasst. Auch die Regelungen des Hofübergabevertrages könnten den Unfallversicherungsschutz des Klägers nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII nicht begründen. Ansonsten könnte der gesetzliche Unfallversicherungsschutz durch bloße schuldrechtliche Vereinbarungen ganz erheblich erweitert und auch auf die üblicherweise private Lebensführung erstreckt werden. Der Kläger sei auch nicht Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 SGB VII.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 5 b SGB VII. Seine Mutter habe mit der Brennholzbeschaffung ein landwirtschaftliches Leibgeding erfüllt, weshalb die Verrichtungen zur Erfüllung dieses Leibgedings landwirtschaftlich geprägt seien.
Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 1 U 5063/14, 22.04.2015
Bayerisches Landessozialgericht - L 3 U 227/15, 25.04.2017
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Terminbericht
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG entschieden, dass dieser bei den Holzfällarbeiten in einem Staatsforst keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Der Kläger war kein Beschäftigter im landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mutter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Es kann dahinstehen, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt selbst landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII oder ob er in dem landwirtschaftlichen Unternehmen der Mutter als nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII versichert war. Denn das unfallbringende Verhalten in einem Staatsforst stand nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 5 SGB VII. Der Versicherungsschutz setzt voraus, dass eine sachliche Beziehung der Tätigkeit mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen besteht. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dienten die Holzarbeiten nicht unmittelbar betrieblichen Zwecken des Unternehmens der Mutter, das kein forstwirtschaftliches Unternehmen gemäß § 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII war. Der sachliche Zusammenhang ergibt sich auch nicht aus § 124 Nr 1 SGB VII, weil das Holz zur Beheizung ausschließlich des räumlich getrennten Haushalts der Großeltern diente. Schließlich kann im vorliegenden Fall der Zurechnungszusammenhang auch nicht mit der Erfüllung des Altenteilervertrages begründet werden. Zwar sind Verrichtungen zur Erfüllung solcher Verträge grundsätzlich in den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 5 SGB VII einbezogen. Altenteilsregelungen haben den Zweck, durch die rechtzeitige Übergabe landwirtschaftlicher Unternehmen auf jüngere Familienangehörige die wirtschaftliche Einheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes zu erhalten und zugleich die soziale Versorgung der Altenteiler zu sichern. Dies folgt auch aus den zum Unfallzeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelungen zur Altersrente für Landwirte, wonach der Rentenanspruch an die Hofübergabe geknüpft war. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 5 SGB VII ist hierbei an drei Voraussetzungen geknüpft. Zunächst muss das landwirtschaftliche Unternehmen überhaupt noch existieren, wie der Senat bereits entschieden hat. Zum anderen ist der Versicherungsschutz auf solche vertraglich geschuldeten Verrichtungen begrenzt, die in den zu Art 96 EGBGB ergangenen landesgesetzlichen Vorschriften über Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsverträge erwähnt sind. Weiterhin müssen die Verrichtungen, um einen Sachzusammenhang zur "Landwirtschaft" zu haben, entweder in einer örtlichen Beziehung zur Wohnung der Altenteiler bzw des übernommenen Betriebes erbracht werden (was etwa auch aus § 8 Bayerisches Gesetz zur Ausführung des BGB - Bay AGBGB ergänzend abgeleitet werden kann) oder aber in der Verarbeitung von Erzeugnissen des Hofes selbst bestehen. Zwar erfüllt die Herstellung von Brennholz als solche noch diese Voraussetzung (vgl auch § 12 Bay AGBGB). Jedoch ereignete sich der Unfall beim Schlagen von Holz in einem außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs gelegenen Staatsforst, so dass die dritte Voraussetzung im konkreten Fall nicht vorliegt.
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