Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 29/17 R

Verhandlungstermin 26.11.2019 14:00 Uhr

Terminvorschau

P.-C. von B. ./. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
Die Beteiligten streiten über die Höhe der ab dem Umlagejahr 2013 zu zahlenden Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft.

Der Kläger ist Eigentümer einer Waldfläche von insgesamt 18,62 Hektar. Alle anfallenden forstwirtschaftlichen Arbeiten werden seit 1976 von einer Forstbetriebsgemeinschaft erledigt. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landwirtschaftliche BG N.-B., setzte Beiträge für das Umlagejahr 2012 zuletzt in Höhe von 238,40 Euro fest. Zum 1.1.2013 wurde die Beklagte als bundesweit zuständiger Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung errichtet und für das Umlagejahr 2013 erstmals ein bundeseinheitlicher Beitragsmaßstab beschlossen. Die Beklagte setzte für das Umlagejahr 2013 den Beitrag auf insgesamt 287,48 Euro fest. Ergänzend führte sie aus, unter Berücksichtigung eines Ausgangsbeitrags von 238,40 Euro (Umlage des Klägers in 2012) und eines Zielbeitrags von 305 Euro würden sich für die Übergangszeit als Angleichungssätze für das Umlagejahr 2013 82,5312 %, für 2014 86,8984 %, für das Umlagejahr 2015 91,2656 %, für 2016 95,6328 % und für das Umlagejahr 2017 100 % ergeben. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, in dem er sich unter verschiedenen Aspekten gegen einen bundeseinheitlichen Maßstab für landwirtschaftliche Unternehmen wandte. Widerspruch und Klage zum SG blieben ohne Erfolg. Das SG hat durch Gerichtsbescheid entschieden und die Berufung nicht zugelassen. Das LSG hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Berufung zugelassen und diese zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand sei der Bescheid der Beklagten nur insoweit, als der Beitrag für das Umlagejahr 2013 auf 287,48 Euro festgesetzt worden sei. Beiträge für die Folgejahre seien nicht festgesetzt worden. Die Beklagte habe den Beitrag für das Umlagejahr 2013 zutreffend errechnet. Die Berechnung der Risikogruppenfaktoren und der Risikofaktoren sei satzungsgemäß erfolgt. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass bei den Aufwendungen DDR-Altrenten Berücksichtigung fänden und dass eine Erhöhung des Umlagesolls im Vergleich zu 2012 um 46 Millionen erfolgt sei. Der Grundbeitrag sei zutreffend festgesetzt worden. Die Satzung der Beklagten halte sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Auch sei die Ermittlung des Arbeitsbedarfs mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Regionale Aspekte seien nicht mehr zu berücksichtigen, weil ein bundeseinheitlicher Beitragsmaßstab gerade eingeführt worden sei, um die bisher bestehenden gravierenden Beitragsunterschiede zu beseitigen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 182 SGB VII, der §§ 40ff der Satzung der Beklagten sowie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 und Art 20 GG. Die mit der Änderung des Beitragsmaßstabes verbundene Erhöhung der Beitragssummen um bis zu 193 % für die Umlagejahre bis 2017 sei nicht nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung des LSG sei Gegenstand der Klage auch die Höhe der Beiträge für die Folgejahre, denn der Bescheid benenne konkret die Angleichungssätze für die Jahre 2013 bis 2017. Die derzeitige Beitragsberechnung führe zu einer überproportionalen Beitragsbelastung der nord-/west- und ostdeutschen Forstunternehmen zu Gunsten der süddeutschen, vermehrt risikobelasteten Forstbetriebe. Zehn Hektar Fichtenwald im bayerischen Mittelgebirge seien nicht mit zehn Hektar Kiefernwald in der Lüneburger Heide vergleichbar. Rechtswidrig sei auch, dass sich nach § 46 Abs 1 der Satzung der Grundbeitrag für alle Unternehmen einheitlich mit höchstens 350 Berechnungseinheiten bemesse, die Vertreterversammlung jedoch beschlossen habe, die Höchstgrenze auf 320 Berechnungseinheiten zu begrenzen. Deshalb seien die durch den Grundbeitrag zu finanzierenden Aufwendungen nicht gedeckt und es entstehe ein Fehlbetrag von 40 Millionen, woraus eine deutliche Mehrbelastung für Kleinforstbetriebe folge, weil sie den Grundbeitrag in Mindesthöhe zahlten und damit die flächenstarken Betriebe mitfinanzierten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Lüneburg - S 3 U 39/15, 27.07.2015
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 16 U 6/15,29.08.2017

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 53/19.

Terminbericht

Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.

Der Kläger hat zuvor ein Teil-Anerkenntnis der Beklagten angenommen. Der Senat hatte rechtliche Zweifel an der Begrenzung der Höhe des Grundbeitrags für das Beitragsjahr 2013 auf 320 Berechnungseinheiten geäußert. Nach § 46 Abs 1 ihrer maßgebenden Satzung war die Höchstsumme von 350 Berechnungseinheiten normiert, die lediglich durch Vorstandsbeschluss auf 320 Berechnungseinheiten herabgesetzt wurde. Die Beklagte hat daraufhin die angefochtenen Bescheide geändert und den Zahlbetrag für 2013 auf 275,91 Euro festgesetzt.

Im Übrigen hat die Beklagte die von dem Kläger zu zahlenden Beiträge für das Umlagejahr 2013 rechtmäßig festgesetzt. Nur über die Höhe der Beiträge für 2013 hatte die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine Regelung getroffen. Hinsichtlich weiterer Beitragsjahre enthält der Bescheid lediglich Informationen über künftig mögliche Anpassungen. Der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer gemäß § 150 Abs 1 SGB VII zur Beitragszahlung verpflichtet. Der schriftliche Verwaltungsakt der Beklagten gemäß § 183 Abs 5 S 1 SGB VII war hier auch noch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Berechnung des konkreten Beitrags nicht in allen Verästelungen mathematisch nachvollziehbar dargelegt werden muss. Der Bescheid war auch nicht bereits mangels ordnungsgemäßer Anhörung aufzuheben, weil spätestens im Widerspruchsverfahren alle Einwände des Klägers umfassend erörtert worden sind. Die Beklagte hat gemäß der von ihrer Vertreterversammlung erlassenen Satzung den Kläger rechtmäßig veranlagt. Die hier der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzungsbestimmungen waren von der Ermächtigung in §§ 182 ff SGB VII gedeckt. § 182 SGB VII lässt als Berechnungsgrundlage ua das Umlagesoll, die Fläche, den Arbeitsbedarf oder einen anderen vergleichbaren Maßstab (§ 182 Abs 2 S 1 SGB VII) und die Erhebung eines Mindest- oder Grundbeitrages durch Satzungsregelung (§ 182 Abs 2 S 4 SGB VII) zu. Die Satzung der Beklagten verstößt auch nicht gegen § 182 Abs 2 S 2 SGB VII und § 182 Abs 5 SGB VII. Nach § 182 Abs 2 S 2 SGB VII hat die Satzung bei der Festlegung der Berechnungsgrundlagen die Unfallrisiken in den Unternehmen ausreichend zu berücksichtigen. Es kann hier dahin stehen, ob überhaupt hinreichend gesicherte Daten vorliegen, um die vom Kläger geforderte differenzierte Berücksichtigung des Unfallrisikos aufgrund der regionalen Lage der forstwirtschaftlichen Fläche, der Art des Baumbestandes sowie der Anzahl und Schwere der bisherigen Arbeitsunfälle bei der Beitragsbemessung zu ermöglichen. Jedenfalls liegt es im insoweit weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers, lediglich eine Risikogruppe Forst ohne weitere Differenzierung nach der Lage und der Baumarten zu bilden, zumal ein Verzicht auf weitere Differenzierungen auch gleichzeitig dem nach § 182 Abs 2 S 3 SGB VII geforderten angemessenen solidarischen Ausgleich dient. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unfallrisiken derart unterschiedlich je nach Lage der Grundstücke oder der Baumart sind, dass eine fehlende Differenzierung gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen könne. Soweit der Kläger meint, das Unfallrisiko sei in anderen Regionen höher, so dass er fremde Risiken mitfinanziere, ist dies gerade Kennzeichen der gesetzlichen Unfallversicherung. Es ist auch kein verfassungsrechtlicher Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber hindern könnte, einen bundeseinheitlichen Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu bilden.

Der Senat hat schließlich in seiner Kostenentscheidung klargestellt, dass landwirtschaftliche Unternehmer nicht gemäß § 183 Abs 1 SGG kostenprivilegiert sind, soweit sie sich gegen die Beitragserhebung wenden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 53/19.

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