Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 5/19 R - Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf 12.00 Uhr vorverlegt.

Verhandlungstermin 05.12.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

W.  ./.  BARMER
Der Kläger war als Beschäftigter bei der beklagten KK in der GKV pflichtversichert. Ab 24.3.2016 war er durchgehend arbeitsunfähig krank, schied arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt von der Beklagten ab 1.5.2016 Krankengeld (Krg). Eine ärztliche Gemeinschaftspraxis attestierte ihm Arbeitsunfähigkeit (AU) und stellte AU-Bescheinigungen bzw -Folgebescheinigungen aus, ua am 17.5.2016 bis 27.5.2016 und am 30.5.2016 bis 10.6.2016. Am 15.7.2016 erfuhr der Kläger von der Beklagten bei einer Vorsprache, dass die Folgebescheinigung vom 30.5.2016 bei dieser nicht eingegangen sei, woraufhin er der Beklagten die Bescheinigung am selben Tag per Telefax zuleitete. Die Beklagte stellte gleichwohl anschließend durch Bescheid für die Zeit 28.5. bis 12.6.2016 das Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V fest, da ihr die AU vom 30.5.2016 nicht innerhalb einer Woche gemeldet worden sei. Ab 13.6.2016 erhielt der Kläger wieder Krg

Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Der Krg-Anspruch nach §§ 44 ff SGB V (idF durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015, BGBl I 1211) für die Zeit vom 28.5. bis 12.6.2016 sei nicht durchsetzbar, da ihm das Ruhen nach § 49 Abs 1 NrSGB V entgegenstehe. Die am 30.5.2016 bescheinigte AU sei der Beklagten nämlich erst nach Ablauf einer Woche - am 15.7.2016 - gemeldet worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sei die Meldeobliegenheit strikt zu handhaben und komme eine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist nicht in Betracht (zB BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5). Weitere rechtliche Gesichtspunkte wirkten sich ebenfalls nicht zugunsten des Klägers aus. Bei unterbliebener oder verzögerter Meldung könnten sich Versicherte nicht auf fehlendes eigenes Verschulden berufen; dazu gehöre auch der Fall, dass eine rechtzeitig zur Post gegebene AU-Bescheinigung auf dem Postweg verlorengegangen sei (so bereits BSG-Urteil vom 24.6.1969, BSGE 29, 271 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO). Zu Gunsten des Klägers folge ebenfalls nichts aus dem richterrechtlichen Institut der Nachsichtgewährung. Ein im Verantwortungsbereich der Beklagten liegendes Fehlverhalten oder ein ihr zurechenbares Risiko, das eine abweichende Beurteilung erfordere, sei nicht erkennbar. Das Institut der Nachsichtgewährung diene auch nicht dazu, die Verteilung der Verantwortungsbereiche in Bezug auf die objektive Beweislast zu ändern.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Die strikte Auslegung der Meldeobliegenheit aufgrund des BSG-Urteils aus dem Jahr 1969 sei heute nicht mehr gerechtfertigt, weil sich seither die Verantwortungsbereiche von Versicherten und KKn verlagert hätten. Infolge einer Zentralisierung der Bearbeitung würden die AU-Bescheinigungen bei den großen KKn zentral eingescannt, wodurch sich das Verlustrisiko auf Seiten der KKn massiv erweitert habe. Deshalb dürfe das Risiko des Verlustes der Bescheinigungen nach deren Versendung per Post nicht mehr allein den Versicherten zugewiesen werden. Die Rechtsprechung zur strikten Meldeobliegenheit sei zudem kritisch zu überprüfen, weil diese Rechtsprechung den KKn mittlerweile dazu diene, sich der Verpflichtung zur Krg-Zahlung unter Hinweis auf die Risikoverteilung zu entziehen. Dies belegten zahlreiche Veröffentlichungen im Internet.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 9 KR 3814/17, 24.09.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 3841/18, 19.03.2019

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Terminbericht

Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben. Die Vorinstanzen haben revisionsrechtlich beanstandungsfrei entschieden, dass er in der streitigen Zeit keinen Anspruch auf Zahlung von Krg hatte, weil sein Anspruch nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruhte. Die Meldung erfolgte nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der AU, ohne dass einer der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Ausnahmefälle vorlag (vgl zusammenfassend zB Urteile vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R und vom 8.8.2019 - B 3 KR 6/18 R, beide zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Auch die weiteren Erwägungen des LSG sind nicht zu beanstanden. Der Senat hält daran fest, dass die AU-Meldung dem Versicherten obliegt und grundsätzlich er selbst die Folgen unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung trägt, auch wenn er eine Folge-AU-Bescheinigung rechtzeitig zur Post gegeben und die dennoch nicht bei der Beklagten eingegangene Meldung unverzüglich nachgeholt hat.

Das Revisionsvorbringen des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Er stützt sich zwar unter Hinweis auf Internet-Veröffentlichungen auf das Erfordernis einer Neubewertung, weil die großen Krankenkassen die ihnen zugeleiteten AU-Bescheinigungen inzwischen zentral einscannten und sich dadurch die Verantwortungsbereiche verlagert hätten. Nach den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils ist im Fall des Klägers indessen kein im Verantwortungsbereich der Beklagten liegendes Fehlverhalten erkennbar gewesen. In Bezug darauf hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben, sondern sich weitgehend auf Vermutungen und revisionsrechtlich nicht beachtliches neues Tatsachenvorbringen gestützt, sodass die Feststellungen im LSG-Urteil für den Senat bindend sind (vgl § 163 SGG). Selbst wenn man der generellen Bewertung des Klägers aber nähertreten wollte, kann er damit nicht durchdringen: Trotz der gefestigten Rechtsprechung des BSG zu § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V sind wesentliche Gesetzesänderungen dazu erst durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6.5.2019 (BGBl I 646) mit Wirkung zum 11.5.2019 erfolgt (auch im Zusammenhang mit der zum 1.1.2021 eingeführten elektronischen AU-Meldung). Trotz dieser Änderungen sollte es im Kern bei der bisherigen Rechtslage verbleiben, weil ein gesetzlicher Änderungsbedarf nur für einen begrenzten Bereich und nur mit Wirkung für die Zukunft gesehen wurde.

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