Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 16/18 R

Verhandlungstermin 10.12.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

S.W. ./. Bundesagentur für Arbeit
Der aus Russland nach Deutschland übergesiedelte Kläger war zuletzt bis Ende Januar 2014 als Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Während des anschließenden Alg-Bezugs sagte er seine Teilnahme an einer Veranstaltung der Arbeitsverwaltung im November 2014 ab, weil er seit 1.8.2014 an einem durch das Land Berlin und den Europäischen Sozialfonds geförderten berufsbezogenen Sprachkurs teilgenommen hatte. Die Maßnahme war mit Unterrichtszeiten (montags bis freitags) jeweils von 9.00 Uhr bis 14.15 Uhr verbunden. Die Beklagte hob die Bewilligung von Alg ab 1.8.2014 auf.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Die Aufhebung der Bewilligung sei rechtmäßig gewesen, weil der Kläger während der Teilnahme an dem Sprachkurs unter Berücksichtigung von Wegezeiten sowie Vor- und Nacharbeiten nicht mehr verfügbar gewesen sei. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger ein Schreiben vom 29.11.2017 zur Nachholung der Anhörung zur Aufhebung des Alg übersandt. Die Unterlagen zur nachgeholten Anhörung, die am 3.1.2018 beim Berufungsgericht eingegangen waren, hat das LSG dem Bevollmächtigten des Klägers am 8.1.2018 zur Kenntnis und Stellungnahme übersandt. Zuvor hatte das den Kläger mit seiner PKH ablehnenden Entscheidung vom 29.11.2017 zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss angehört und sodann die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 16.1.2018). Das BSG habe bereits entschieden, dass die Teilnahme an einer ganztägigen beruflichen Weiterbildung in der Regel eine gleichzeitige Verfügbarkeit ausschließe. Auch die Voraussetzungen des § 139 Abs 3 SGB III lägen nicht vor, weil die Beklagte der Maßnahme nicht zugestimmt habe.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das LSG sei verpflichtet gewesen, den Inhalt seines Schriftsatzes vom 17.1.2018, der vor Ausfertigung des Beschlusses des LSG eingegangen sei, sowie den hierin enthaltenen Antrag auf Zeugenvernehmung zu beachten. Unabhängig hiervon liege keine Änderung der Verhältnisse vor, weil er auch während der berufsbezogenen Sprachförderung verfügbar gewesen sei.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 54 AL 348/15, 26.09.2017
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 18 AL 190/17, 16.01.2018

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Terminbericht

Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung, denn das LSG hätte nicht durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entscheiden dürfen. Zwar hat das LSG die Beteiligten in seinem ablehnenden PKH-Beschluss vom 29.11.2017 darauf hingewiesen, dass es erwäge, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung binnen eines Monats gegeben. Zeitlich nachfolgend ist jedoch eine geänderte Prozesslage eingetreten, die eine Wiederholung der Anhörung zu der beabsichtigten Verfahrensweise erfordert hätte. Eine Änderung der Prozesslage ist jedenfalls dann gegeben, wenn ein Beteiligter bei objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass das Berufungsgericht bei seiner ersten Anhörung entscheidungserhebliche Umstände außer Betracht gelassen hat. So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat in ihrem Anschreiben an den Kläger vom 29.11.2017 darauf hingewiesen, dass ihr bei der angegriffenen Aufhebungsentscheidung der Verfahrensfehler einer fehlenden Anhörung unterlaufen sei und dieser Verfahrensfehler durch Nachholung geheilt werden müsse. Die von der Beklagten unter dem 3.1.2018 beim LSG eingereichten Unterlagen zur nachgeholten Anhörung wurden dem Kläger am 8.1.2018 mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Der Kläger konnte bei dieser Sachlage schon aufgrund der von der Rechtsprechung zur Nachholung der Anhörung entwickelten Anforderungen und deren objektiver Bedeutung für die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides davon ausgehen, dass ihn das LSG bei einer weiterhin beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss erneut anhört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Bei der Verletzung des § 153 Abs 4 SGG handelt es sich um einen absoluten Revisionsgrund, denn die Verletzung des § 153 Abs 4 SGG führt zur nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ohne ehrenamtliche Richter. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat daher nicht möglich. Für die erneute Entscheidung des LSG weist der Senat auf die in seinem Urteil vom 27.6.2019 - B 11 AL 8/18 R entwickelten Grundsätze hin.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 55/19.

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