Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 23/18 R

Verhandlungstermin 11.12.2019 11:30 Uhr

Terminvorschau

Dr. G. ./. KÄV Baden-Württemberg, beigeladen: AOK Baden-Württemberg
Umstritten ist die Befugnis der beklagten KÄV, Regresse für Verordnungen festzusetzen, die gegen Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung (SSB-Vereinbarung) verstoßen.

Nach der für den Bezirk der Beklagten geschlossenen SSB-Vereinbarung ist die Überprüfung der Verordnung von Mitteln, die nicht in der Anlage zur SSB-Vereinbarung aufgeführt sind oder die den dortigen Bestimmungen nicht entsprechen, der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zuzuordnen. Entsprechende Berichtigungsanträge sind nach der SSB-Vereinbarung von der KÄV zu bescheiden.

Auf einen Berichtigungsantrag der beigeladenen Krankenkasse setzte die Beklagte für das Quartal 3/2009 gegen den Kläger, der als Chirurg an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, einen Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen fest. Ohne die materielle Richtigkeit dieser Rückforderung in Frage zu stellen, rügte der Kläger mit seiner Klage ausschließlich die fehlende Zuständigkeit der Beklagten. Nach den geltenden bundesrechtlichen Vorgaben seien dafür allein die mit Vertretern der Krankenkassen und der Vertragsärzte paritätisch besetzten Prüfgremien zuständig.

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg. Das LSG hat ausgeführt, die Beklagte sei für die vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung zuständig. Zwar verursache die Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) Kosten außerhalb der Gesamtvergütungen. Die unzulässige Verordnung von SSB lasse sich auch der Wirtschaftlichkeitsprüfung im weitesten Sinne zuordnen. Allerdings habe das BSG hierfür regelmäßig nur die bloße Möglichkeit einer Prüfungskompetenz der Prüfgremien betont und somit eine anderweitige Vorgehensweise gerade nicht ausgeschlossen. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Prüfgremien sei daher zu verneinen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 106 SGB V in der Fassung des GKV-WSG vom 26.3.2007. Bei einer "sachlich-rechnerischen Richtigstellung" von SSB-Verordnungen handle es sich um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne dieser Bestimmung, für die die Prüfgremien originär zuständig seien. Eine gesamtvertragliche Regelung, die die Zuständigkeit auf die Beklagte übertrage, sei unwirksam. Ebenso wie die Verordnungsbeschränkungen der Arzneimittel-Richtlinien seien auch die Festlegungen zur Verordnungsfähigkeit von SSB als Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen. Deshalb seien allein die paritätisch besetzten Prüfgremien dafür zuständig, die Einhaltung dieser Festlegungen zu überwachen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 24 KA 5728/13, 28.01.2016
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 5 KA 792/16, 18.04.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 59/19.

Terminbericht

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die beklagte KÄV ist für die Festsetzung eines Regresses wegen Nichtbeachtung der maßgeblichen Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung (SSB-Vereinbarung) nicht zuständig. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnungen von Sprechstundenbedarf (SSB) ist bundesrechtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugeordnet. Daraus folgt eine ausschließliche Zuständigkeit der Prüfgremien. Für eine davon abweichende Zuständigkeit der KÄV ist kein Raum; eine solche kann auch nicht gesamtvertraglich vereinbart werden. Soweit der älteren Rechtsprechung des Senats entnommen werden könnte, dass die KÄVen originär zuständig sind oder ihre Zuständigkeit vereinbart werden kann, hält der Senat daran nicht fest. Das hat zur Folge, dass der angefochtene Bescheid, der in der Sache richtig ist, aufzuheben ist. Die zuständige Prüfungsstelle ist aber nicht gehindert, einen Bescheid mit gleichem Inhalt zu erlassen; der Bescheid der KÄV hat die insoweit geltende Ausschlussfrist gehemmt, auch wenn er mangels Zuständigkeit der KÄV nicht rechtmäßig ist.

Die Vertragspartner in den KÄV-Bezirken, in denen die SSB-Vereinbarung eine Zuständigkeit der KÄV bestimmt, müssen die Vereinbarungen der Rechtslage anpassen. Für die Zeit bis dahin stellt der Senat klar, dass die Prüfungsstelle zuständig ist, auch soweit in den SSB-Vereinbarungen die KÄV als zuständig bezeichnet wird.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 59/19.

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