Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 3/19 R

Verhandlungstermin 24.03.2020 00:00 Uhr

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Der Termin wurde aufgehoben.
In beiden Revisionsverfahren (B 13 R 9/19 R und B 13 R 3/19 R) steht die Gewährung einer Rente unter Berücksichtigung von sogenannten "Ghetto-Beitragszeiten" nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) im Streit. Fraglich ist dabei insbesondere, ob ein einzelnes von Juden bewohntes Haus innerhalb eines Dorfes während der deutschen Besetzung Polens als ein Ghetto im Sinne des ZRBG angesehen werden kann.

R. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Nord
Im Streit steht die Gewährung einer Witwenrente.

Die Klägerin ist die Witwe des 1912 geborenen und im März 2007 verstorbenen Versicherten. Der Versicherte war jüdischen Glaubens und Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im Sinne des BEG. 1939 lebte er in dem polnischen Ort Padew nahe Mielec (Distrikt Krakau des sogenannten Generalgouvernements). Zu diesem Zeitpunkt waren unter den Einwohnern Padews neun jüdische Familien. Unmittelbar nach Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde Padew von deutschen Truppen besetzt und die dortige jüdische Bevölkerung einschließlich des Klägers gezwungen, zur Kenntlichmachung Armbinden mit dem Davidstern zu tragen. Die jüdischen Familien in Padew verblieben (zunächst) in den von ihnen bisher bewohnten Häusern. Eine Kennzeichnung dieser Häuser erfolgte nicht. Allerdings waren die jüdischen Bewohner nach den Feststellungen des LSG in ihrer Bewegungsfreiheit auf ihre Wohnungen bzw Häuser beschränkt und durften diese nicht verlassen, außer für den Weg zur Arbeit oder für unerlässliche Besorgungen; ein Umzug war genehmigungspflichtig. In der Zeit von Februar 1940 bis Februar 1942 arbeitete der Versicherte im Straßenbau. Hierfür erhielt er ein Entgelt. Im Februar/März 1942 wurde die jüdische Bevölkerung Padews sowie der umliegenden Gemeinden kurzfristig nach Baranow und daran anschließend in das Zwangsarbeitslager Biezadka verbracht.

Im August 2002 beantragte der Versicherte bei der Rechtsvorgängerin des beklagten RV-Trägers erfolglos die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG. Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens wurde die Ablehnung 2010 bestätigt.

Die Klägerin beantragte im April 2012 beim beklagten RV-Träger die Gewährung einer Witwenrente unter Berücksichtigung von "Ghetto-Beitragszeiten". Der Antrag wurde wegen Nichterfüllung der Wartezeit abgelehnt. Für den Zeitraum Februar 1940 bis März 1942 könnten keine Beitragszeiten nach dem ZRBG anerkannt werden, da der Versicherte sich nicht zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten habe.

Im Klagverfahren vor dem SG ist die Klägerin ebenfalls erfolglos geblieben. Das SG hat unter Bezugnahme auf ein beigezogenes historisches Gutachten zur Situation in Sarnów und Mielec während des zweiten Weltkrieges und eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zur Situation in Padew den zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto verneint. Es fehle an der für ein Ghetto typischen Konzentration und Internierung der jüdischen Bevölkerung in Padew.

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und den RV-Träger verpflichtet, rentenrechtliche Zeiten für den Zeitraum von Februar 1940 bis Februar 1942 anzuerkennen. Diese Zeiten seien als Beitragszeiten des Versicherten für die Verrichtung einer freiwilligen entgeltlichen Beschäftigung während eines zwangsweisen Aufenthalts in einem Ghetto zu werten. Für die Beurteilung des Vorliegens eines Ghettos in Padew sei unter Berücksichtigung des Zwecks des ZRBG von einem weiten Verständnis des Begriffs der Konzentration auszugehen. Insoweit entspricht die Begründung der des Urteils des LSG vom 13.11.2008 - L 7 R 175/16 (siehe unter 1.)

Mit seiner Revision rügt der RV-Träger insbesondere einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Lübeck - S 15 R 128/13, 08.09.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 7 R 152/16, 04.09.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 7/20.

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