Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 10/19 R

Verhandlungstermin 14.05.2020 11:00 Uhr

Terminvorschau

S. K. ./. Jobcenter Oberspreewald-Lausitz
Im Streit steht die Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids.

Die Klägerin beantragte 2015 unter Hinweis auf Bestimmtheitsmängel die Überprüfung eines 2008 ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids, durch den das beklagte Jobcenter die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sie und ihren Sohn nach Anhörung teilweise in Höhe von 877,72 Euro aufgehoben und eine entsprechende Erstattung festgesetzt hat. Die Klägerin hat die Erstattungsforderung nicht beglichen; laut Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit wurde sie niedergeschlagen. Der Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag als unzulässig ab, weil ihm anders als vom BSG entschieden (Verweis auf BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - BSGE 115, 121 = SozR 4-1300 § 44 Nr 29) die Jahresfrist nach § 40 Abs 1 SGB II entgegenstehe.

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung des Überprüfungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids verpflichtet, den 2008 erlassenen Änderungs- und Erstattungsbescheid aufzuheben. Die Berufung hiergegen hat das LSG zurückgewiesen: Nach der Rechtslage bis zum 1.8.2016 sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid als zu unbestimmt aufzuheben. Die seither geltende Befristung erfasse zuvor gestellte Überprüfungsanträge nicht.

Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II in der am 1.8.2016 in Kraft getretenen Fassung, dessen Geltung für zuvor gestellte Überprüfungsanträge der Gesetzgeber jedenfalls stillschweigend angeordnet habe und die sich schon aus § 77 Abs 13 SGB II ergebe; danach sei das Überprüfungsbegehren der Klägerin verfristet.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Mainz - S 11 AS 467/17, 16.04.2018
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 6 AS 152/18, 15.08.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 17/20.

Terminbericht

Die Revision des Beklagten war zurückzuweisen. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass einem vor dessen Inkrafttreten gestellten Überprüfungsantrag die Ausschlussregelung des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II nicht entgegensteht und der streitbefangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufzuheben ist.

Mit der zum 1.8.2016 eingeführten Regelung des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II hat der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte, Regelungssystematik und den Gesetzgebungsmaterialien auf die Rechtsprechung des BSG reagiert, wonach die vorher eingeführte zeitliche Begrenzung der Überprüfung von Bewilligungsbescheiden nach dem SGB II nur für nachträglich zu erbringende Geldleistungen gilt. Mit der Neuregelung hat er auch die Möglichkeit beschränkt, sonstige rechtswidrige Bescheide nach dem SGB II zeitlich unbegrenzt zur Überprüfung zu stellen. Das kommt einer materiellen Rechtsänderung gleich und ist deshalb auf vor Inkrafttreten der Regelung gestellte Überprüfungsanträge nur anzuwenden, wenn das im Übergangsrecht klar zum Ausdruck kommt. Das ist nicht der Fall, weil die Vorschrift des § 77 Abs 13 SGB II die Änderungen zum 1.8.2016 durch das 9. SGB II-ÄndG nicht betreffen und die Übergangsregelung des § 80 SGB II zum 9. SGB II-ÄndG keine Vorgabe zu § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II trifft.

Zu Recht haben die Vorinstanzen danach den streitbefangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten mangels ausreichender Bestimmtheit aufgehoben.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 17/20.

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