Verhandlung B 5 R 2/19 R
Verhandlungstermin
17.06.2020 11:30 Uhr
Terminvorschau
P. P. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1.9.2014 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,964 (Rentenabschlag um 3,6 %), sodass er so gestellt wird, als hätte er diese Rente nur ein Jahr vorzeitig in Anspruch genommen.
Der im August 1952 geborene Kläger vereinbarte 2006 mit seinem damaligen Arbeitgeber ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ab September 2007 mit einer Arbeitsphase bis Februar 2011 und einer anschließenden Freistellungsphase bis August 2014. Die Altersteilzeittätigkeit wurde von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Im Juli 2014 beantragte er beim beklagten Rentenversicherungsträger sowohl Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 236b SGB VI) als auch Altersrente für langjährig Versicherte (§ 236 SGB VI), deren Wartezeit (35 bzw 45 Jahre) er erfüllte. Nach dem Hinweis der Beklagten, dass Altersrente für besonders langjährig Versicherte für ihn erst ab September 2015 (mit 63 Jahren ohne Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme) in Betracht komme, bat er um die Bewilligung der Altersrente für langjährig Versicherte ab September 2014. Diese konnte er gemäß der Übergangsvorschrift in § 236 Abs 3 SGB VI vorzeitig mit 62 Jahren statt mit 65 Jahren in Anspruch nehmen. Im Bewilligungsbescheid verminderte die Beklagte bei der Berechnung des Monatsbetrages der Rente den Zugangsfaktor wegen der dreijährigen vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,003 je Kalendermonat, dh um insgesamt 0,108 auf 0,892 (Rentenabschlag um 10,8 %). Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ebenso wie Klage und Berufung erfolglos.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, dass ihm die Begünstigung der 2014 eingeführten Rente für besonders langjährig Versicherte trotz gleicher Lebensbeitragsleistung nicht zugutekomme. Er habe im Anschluss an die Altersteilzeit Altersrente beantragen müssen, wenn er nicht die Erstattung der Förderung gegenüber dem Arbeitgeber in Kauf nehmen wollte. Die Überbrückung eines Jahres ohne Einkommen sei unzumutbar.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Mannheim - S 16 R 66/15, 18.05.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 R 2405/17, 22.03.2018
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Terminbericht
Die Revision des Klägers war erfolglos. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Rente für langjährig Versicherte unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,964.
Der Anspruch des Klägers auf Altersrente für langjährig Versicherte folgt aus § 236 SGB VI in der bei Rentenbeginn geltenden Fassung des RV-Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetzes. Danach war ihm - bei einer generellen Altersgrenze von 65 Jahren - die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente bereits ab dem Alter von 62 Jahren möglich. Deren Monatsbetrag hat die Beklagte zutreffend unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 0,892 ermittelt. Der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI ist bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Ob und um welche Zahl von Kalendermonaten eine Rente wegen Alters iS des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI "vorzeitig" in Anspruch genommen wird, bestimmt sich nach der Differenz zwischen der Regelaltersgrenze für die konkret in Anspruch genommene Altersrentenart und dem tatsächlichen Alter des Versicherten bei Beginn der für diese Rentenart möglichen "vorzeitige(n) Inanspruchnahme". Die Altersgrenzen anderer, für einen Versicherten erst nach dem tatsächlichen Rentenbeginn in Betracht kommender Rentenarten sind ohne Belang. Der Senat schließt sich insofern in vollem Umfang den Ausführungen im Urteil des 13. Senats vom 11.12.2019 - B 13 R 7/19 R - an.
Die Vorschriften über die Minderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte verstoßen nicht gegen das GG. Sie stellen eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG dar und verletzen auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Durch die Einführung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfolgte kein Eingriff in die nach Art 14 Abs 1 Satz 1 und 2 GG geschützten Rentenanwartschaften des Klägers. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG scheidet zum einen aus, weil der Kläger als Bezieher einer dauerhaft gekürzten, vorzeitigen Altersrente die Vorteile eines frühen Ruhestandes für sich in Anspruch genommen hat. Zum anderen hätte er, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, die Rente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen können.
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