Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 8/20 R - ohne mündliche Verhandlung

Verhandlungstermin 24.06.2020 00:00 Uhr

Terminvorschau

1. N.N. E.K., 2. M.K. E.K. ./. Jobcenter Berlin Neukölln
Die klagenden Eheleute erhielten im nur noch streitigen Monat Juni 2016 als Alg II-Leistungen zur Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung, die vom beklagten Jobcenter zunächst vorläufig und sodann - in geringerer Höhe - endgültig bewilligt wurden. Aus einer Betriebskostenabrechnung des Vermieters der Kläger vom 9.2.2016 ergab sich eine Gutschrift in Höhe von 744,46 Euro, die dem Konto des Klägers noch im Februar 2016 gutgeschrieben worden war. Die Beklagte rechnete diese Gutschrift für sechs Monate zu einem Sechstel, beginnend ab März 2016 und damit auch für Juni 2016, auf die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung leistungsmindernd an.

Das SG hat die Klage auf höherer Leistungen ohne Berücksichtigung eines Anteils der Betriebskostennachzahlung für Juni 2016 abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Das LSG führte aus, aus § 22 Abs 3 SGB II folge, dass für den Fall, dass das unterkunftsbezogene Guthaben die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Zuflussfolgemonat übersteige, die Anrechnung des übersteigenden, nicht "verbrauchten" Teils der Gutschrift in den nachfolgenden Monaten bis zum vollständigen Verbrauch des Guthabens zu erfolgen habe. § 22 Abs 3 SGB II stelle aber eine abschließende Sonderregelung zur Anrechnung eines Betriebskostenguthabens als Einkommen allein hinsichtlich des Anrechnungszeitraums, des Anrechnungsumfangs und des begünstigten Trägers dar. Im Übrigen fänden die in § 11 SGB II aufgestellten Grundregeln der Einkommensberücksichtigung Anwendung, mithin auch die Regelung des § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aF, der die Aufteilung von Einmalzahlungen auf sechs Monate vorsehe.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision machen die Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 22 Abs 3 SGB II geltend, der eine abschließende Regelung für die Anrechnung von Betriebskostenguthaben vorsehe. Ein Rückgriff auf § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aF sei weder notwendig noch geboten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 78 AS 338/17, 20.11.2018
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 10 AS 17/19, 23.07.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 22/20.

Terminbericht

Die Revisionen der Kläger hatten Erfolg. Der Senat hat den Klägern weitere Ansprüche auf Alg II zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für den Monat Juni 2016 zuerkannt. Wegen der rechtsfehlerhaften Berücksichtigung der Betriebskostennachzahlung sind sie in einem weiteren Umfang hilfebedürftig gewesen als vom LSG angenommen. Für die gleichmäßige Aufteilung des Betriebskostenguthabens als Einmalzahlung besteht keine Rechtsgrundlage. § 22 Abs 3 SGB II enthält für Rückzahlungen und Guthaben von Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlungen ein von den allgemeinen Regelungen grundsätzlich abweichendes Berücksichtigungssystem. Eine gleichmäßige Verteilung kommt deshalb auch dann nicht in Betracht, wenn der Leistungsanspruch in einem Monat entfällt. Anders als das LSG meint, fordern weder Wortlaut noch Zweckrichtung von § 22 Abs 3 SGB II eine der Gesetzessystematik entgegenstehende Anwendung von § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aF (jetzt: § 11 Abs 3 Satz 4 SGB II). Jene Bestimmung stellt für sich genommen im Gefüge der allgemeinen Vorschriften zur Einkommensberücksichtigung schon eine Ausnahmeregelung dar, was erst recht gegen eine Anwendung im besonderen Regelungszusammenhang von § 22 Abs 3 SGB II spricht. Zudem mindern Rückzahlungen oder Gutschriften iS des § 22 Abs 3 SGB II nur die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, nicht aber den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können sie deshalb von vornherein nicht entgegenstehen. Im Falle der Anwendung von § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aF auf solche Rückzahlungen oder Gutschriften, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung eines vollständigen Monats überschreiten, müsste deshalb wegen dieser Beschränkung des Anwendungsbereichs mit einem gewissen Verwaltungsaufwand stets differenziert werden, ob noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden oder solche Ansprüche - wie hier wegen der Berücksichtigung weiteren Einkommens - nicht bestehen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 22/20.

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