Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 10/20 R - ohne mündliche Verhandlung

Verhandlungstermin 24.06.2020 00:00 Uhr

Terminvorschau

1. G.K., 2. J.K. ./. Jobcenter team.arbeit.hamburg
Die Klägerin zu 1 ist als Abrufarbeitnehmerin beschäftigt und erzielt aus dieser Tätigkeit monatlich schwankendes Einkommen. Ergänzend erhalten sie und der Kläger zu 2, ihr Sohn, Alg II. Für den streitigen Zeitraum (Februar bis Mai 2014) bewilligte der Beklagte den Klägern im Voraus Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines gleichbleibenden Einkommens ohne Vorläufigkeitsvorbehalt. Nach Vorlage von Verdienstbescheinigungen, aus denen sich ein höheres Einkommen als prognostiziert ergab, hob der Beklagte mit den hier streitigen Bescheiden die Leistungsbewilligungen teilweise rückwirkend auf und verlangte überzahlte Beträge zurück.

Die Klagen der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des LSG hätten die Bewilligungen wegen des schwankenden Einkommens nur vorläufig und nicht endgültig ergehen dürfen. Die Klägerin zu 1 könne sich aber nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Sie habe gewusst, dass die Leistungen an die tatsächlichen Einkommensverhältnisse angepasst werden würden. Zwar habe sie die Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Bewilligung nicht kennen müssen. Ihr sei jedoch klar gewesen bzw ihr hätte klar sein müssen, dass die Zugrundelegung eines festen, jeden Monat gleichen Einkommens in den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden nicht Bestand haben könne. Der Kläger zu 2 müsse sich die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin zu 1 als seiner gesetzlichen Vertreterin zurechnen lassen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, dass sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide nicht gekannt hätten und sie auch nicht hätten kennen müssen. Sie hätten nicht wissen müssen, dass die Bewilligung nur hätte vorläufig erfolgen dürfen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 29 AS 255/16, 08.09.2017
Landessozialgericht Hamburg - L 4 AS 26/18, 30.09.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 22/20.

Terminbericht

Der Senat hat auf die Revision der Kläger das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Der Senat konnte aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagte die Leistungsbewilligungen zu Recht teilweise aufgehoben und die Rückzahlung der Leistungen verfügt hat. Das LSG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufhebungsentscheidungen an § 45 SGB X zu messen sind. Für die Bösgläubigkeit iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X ist es auch ausreichend, wenn der Leistungsempfänger im Rahmen einer sog Parallelwertung in der Laiensphäre wusste oder wissen musste, dass ihm die zuerkannte Leistung so nicht zusteht. Es reicht daher grundsätzlich aus, wenn sich die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis darauf bezieht, dass bei der Bewilligungsentscheidung das Einkommen, das tatsächlich zufließen wird, noch nicht (vollständig) berücksichtigt worden ist; allein hierauf beziehen sich die Feststellungen des LSG zu den subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen. In den Fällen prognostisch schwankenden Einkommens wie dem vorliegenden muss überdies aber auch geprüft werden, ob die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Bescheidempfängers von der Erwartung unterlegt war, dass das später zufließende Einkommen auch höher sein kann als der prognostisch berücksichtigte Betrag. Die Bösgläubigkeit darf sich also nicht in der Kenntnis bzw grob fahrlässigen Unkenntnis des Zusammenhangs von Einkommenserzielung und Leistungsanspruch erschöpfen, sondern muss sich auf die konkrete Möglichkeit beziehen, dass der Bewilligungsbescheid noch zu Lasten des Betroffenen verändert werden wird. Zu diesem Teilaspekt wird das LSG noch Feststellungen zu treffen haben.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 22/20.

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