Verhandlung B 11 AL 3/19 R - ohne mündliche Verhandlung
Verhandlungstermin
24.06.2020 00:00 Uhr
Terminvorschau
F. C. ./. Bundesagentur für Arbeit
Der Kläger übte seit Oktober 1991 eine Tätigkeit als Küchenhelfer aus. Ab April 2012 war er arbeitsunfähig erkrankt. Eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation von Juni bis August 2012 blieb erfolglos. Ebenso scheiterte der Versuch einer betrieblichen Wiedereingliederung im Mai 2013. Der zuständige Rentenversicherungsträger ging davon aus, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Deswegen lehnte er dessen Antrag auf Erwerbsminderungsrente im August 2013 ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug im August 2013 begehrte der Kläger die Zahlung von Alg. Er war weiterhin krankgeschrieben.
Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von Alg für den Zeitraum 29.8.2013 bis 8.10.2013 verurteilt. Für den Folgezeitraum hat es die Klage abgewiesen, weil die subjektive Verfügbarkeit gefehlt habe. Die nur vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Der Kläger habe weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Das werde ua dadurch belegt, dass der Kläger während des laufenden Berufungsverfahrens am 28.4.2015 seine Arbeit als Küchenhelfer wieder aufgenommen habe.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III. Ein Beschäftigungsverhältnis sei jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn der Arbeitgeber auf sein Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer verzichte.
Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 36 AL 1054/13, 01.07.2015
Bayerisches Landessozialgericht - L 9 AL 202/15, 15.05.2018
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Terminbericht
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld über den 8.10.2013 hinaus, weil der Kläger weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Ob langfristig erkrankte bzw leistungsgeminderte Arbeitnehmer, die tatsächlich nicht beschäftigt werden, deren Arbeitsverhältnis jedoch rechtlich fortbesteht, beschäftigungslos im leistungsrechtlichen Sinne des § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III sind, ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil des Senats vom 12.9.2019 - B 11 AL 20/18 R) nach einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen. Erklärungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses haben als Anzeichen für die weiter bestehenden Bindungen eine hervorgehobene Bedeutung. Sie können jedoch auch unbeachtlich sein, wenn sie nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, auf die es maßgeblich ankommt, und sich das Beschäftigungsverhältnis deshalb als "leere Hülse" erweist. Wenn - wie hier - der Arbeitgeber es ablehnt, den bisherigen Arbeitsplatz des langfristig, aber nicht dauerhaft arbeitsunfähig erkrankten Klägers leidensgerecht zu gestalten bzw den Kläger auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, begründet dieses Verhalten allein noch keinen Verzicht auf die Ausübung des Direktionsrechts. Ausgehend von einem zutreffenden Verständnis des Rechtsbegriffs des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses hat das LSG die geforderte Gesamtwürdigung der von ihm festgestellten tatsächlichen Umstände ohne Rechtsfehler vorgenommen und Beschäftigungslosigkeit verneint.
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