Bundessozialgericht

Verhandlung B 10 EG 1/19 R - ohne mündliche Verhandlung

Verhandlungstermin 25.06.2020 00:00 Uhr

Terminvorschau

O. W. ./. Freistaat Bayern
Die Klägerin arbeitete vor der Geburt ihres Sohnes (3.5.2015) als medizinisch-technische Assistentin. Arbeitsvertraglich war ein Bruttogehalt vereinbart und die Verpflichtung der Arbeitnehmerin, "gegen entsprechende Vergütung in einem zumutbaren Rahmen Überstunden zu leisten, wenn die Erfordernisse des Praxisbetriebs diese notwendig machen". Aus dem Vollzeitarbeitsverhältnis bezog die Klägerin im Zeitraum März bis Juni 2014 ein monatliches Gehalt iHv 2 950 Euro und ab Juli 2014 iHv 3 100 Euro. Zudem erhielt die Klägerin in den Monaten März bis November 2014 jeweils eine variable Vergütungskomponente (zwischen 526,00 und 2 208,54 Euro pro Monat) ausgezahlt, die in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen als "Festbezug netto jährlich" und als sonstiger Bezug bezeichnet war.

Der beklagte Freistaat bewilligte der Klägerin Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate ihres Sohnes, ohne die variable Entgeltkomponente bei der Elterngeldbemessung zu berücksichtigen. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin erfolglos eine Bescheinigung des Arbeitgebers vor, nach der es sich bei den variablen Entgeltbestandteilen um die Auszahlung der "im jeweiligen Vormonat geleisteten Überstunden oder Zusatzstunden" handele.

Das SG hat den Beklagten verurteilt, höheres Elterngeld zu gewähren. Bei der variablen Vergütungskomponente handele es sich entgegen den Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen um laufenden Arbeitslohn. Das LSG hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, nachdem der Arbeitgeber angegeben hatte, bei der variablen Vergütungskomponente handele es sich um eine Leistungsprämie, die jeweils aufgrund üblicherweise im Vormonat bearbeiteter Untersuchungsmaterialien ermittelt werde. Die variable Vergütungskomponente beziehe sich auf eine gesonderte mündliche Vertragsabrede, mit der der Klägerin angeboten worden sei, an Werktagen außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen weitere Proben zu bearbeiten. Das LSG hat die Zurückweisung der Berufung ua darauf gestützt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die "variable Vergütungskomponente" laufender Arbeitslohn sei. Sie beruhe auf einer "mündlichen Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin", die zu einer zeitlichen Erweiterung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag geführt habe. Es handele sich um eine Kombination von Festlohn und aufgesetztem Akkordlohn, mithin um ein schwankendes Monatsgehalt bzw jedenfalls um eine regelmäßige Mehrarbeit im Rahmen des Arbeitsvertrages. Die falsche lohnsteuerrechtliche Einordnung durch den Arbeitgeber sei nicht bindend.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte auch hier die Verletzung von § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Augsburg - S 5 EG 22/15, 18.11.2015
Bayerisches Landessozialgericht - L 9 EG 68/15, 16.01.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 24/20.

Terminbericht

Die Revision des beklagten Freistaats war im Sinne der Zurückverweisung erfolgreich. Nicht entschieden werden kann nach den bisherigen Feststellungen des LSG, ob die Anmeldung der variablen Vergütungskomponenten als sonstige Bezüge im Lohnsteuerabzugsverfahren die Beteiligten im Elterngeldverfahren bindet und die variable Vergütungskomponente bereits aus diesem Grund bei der Bemessung des Elterngelds außer Betracht zu lassen ist. Ist die Lohnsteueranmeldung dagegen wegen eines nachfolgenden Einkommensteuerbescheids nicht (mehr) bindend (siehe hierzu Senatsurteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 3/19 R), muss weiter ermittelt werden, ob die variable Vergütungskomponente nach den materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstiger Bezug zu behandeln ist oder laufenden Arbeitslohn darstellt, der in die Bemessungsgrundlage des Elterngelds einfließt. Die mehrfach wechselnden Angaben der Klägerin und ihres Arbeitsgebers zu den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sind widersprüchlich. Die hierzu vom LSG getroffenen Feststellungen sind unzureichend und unvollständig. Auch ihre Würdigung ist nicht nachvollziehbar.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 24/20 und dem Nachtrag zum Terminbericht 24/20.

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