Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 13/19 R

Verhandlungstermin 15.07.2020 15:00 Uhr

Terminvorschau

BAG Dr. H. ua ./. Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnung der Klägerin für die Quartale 2/2008 bis 2/2011 bezogen auf die GOP 01100 EBM-Ä.

Die Klägerin ist eine aus Ärzten für Anästhesiologie bestehende überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, die sich auf Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen und mit belegärztlichen Leistungen spezialisiert hat. Wegen auffälliger Tagesarbeitszeiten führte die beklagte KÄV eine Plausibilitätsprüfung durch. Gegen die Honorarberichtigung wendet sich die Klägerin nur noch insoweit, als sie sich auf die sog Unzeitgebühr (GOP 01100 EBM-Ä - "Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19:00 und 22:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen … zwischen 7:00 und 19:00 Uhr…") bezieht.

Das SG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Unvorhergesehen im Sinne der Leistungslegende der GOP 01100 EBM-Ä sei die Inanspruchnahme nur, wenn der Arzt nicht mit der Inanspruchnahme gerechnet habe. Hier seien die Ärzte der Klägerin zwar nicht in einer Sprechstunde in Anspruch genommen worden, weil die Klägerin eine solche nicht anbiete. Die Klägerin habe aber einen Bereitschaftsdienst organisiert und sowohl Patienten wie behandelnden Ärzte eine Mobiltelefonnummer zur Kenntnis gegeben, unter der jederzeit einer ihrer Ärzte erreichbar ist. Die Inanspruchnahme sei unter diesen Umständen nicht wider Erwarten erfolgt. Zudem habe die Klägerin die gehäufte Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä neben der GOP 05230 EBM-Ä (Aufwandserstattung für das Aufsuchen eines Kranken in der Praxis eines anderen Arztes oder Zahnarztes zur Durchführung der Leistung entsprechend der GOP 01856, 01913, 31840, 31841 oder von Anästhesien/Narkosen des Kapitels 5 oder 31) nicht schlüssig dargelegt.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine unzutreffende Auslegung des Begriffs "unvorhergesehen" durch das LSG geltend. Die Erreichbarkeit über eine Mobiltelefonnummer sei nicht mit einer Notfallsprechstunde vergleichbar. Die Patienten seien keineswegs veranlasst worden, die Telefonnummer außerhalb von Notfällen in Anspruch zu nehmen. Auch soweit ihre Ärzte von Operateuren unter Verwendung der Mobiltelefonnummer hinzugezogen worden seien, sei die Inanspruchnahme unvorhergesehen erfolgt.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 38 KA 305/15, 15.05.2017
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 93/17, 31.10.2018

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Terminbericht

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Zurückverweisung an das LSG Erfolg.

Soweit die Klägerin den Patienten, die unter ihrer anästhesistischen Mitwirkung ambulant operiert worden sind, eine Mobiltelefonnummer zur Verfügung stellt, unter der im Bedarfsfall ein Arzt zuverlässig zu erreichen ist, und über diesen Service auch auf ihrer Homepage informiert, stellt das keinen organisierten Bereitschaftsdienst dar, der den Ansatz der sog Unzeitgebühr nach GOP 01100 EBM-Ä ("Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19:00 und 22:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen … zwischen 7:00 und 19:00 Uhr…") ausschließen würde. Nach der fachkundigen Stellungnahme des Berufsverbandes der Anästhesisten ist mit postoperativen Komplikationen, die die Folgen der Anästhesie betreffen, nur in seltenen Fällen zu rechnen. Ob das durch die Abrechnungspraxis der Klägerin bestätigt wird, ist im Zusammenhang mit der Auslegung des Merkmals "unvorhergesehen" nicht relevant.

Die außerordentlich hohe Ansatzhäufigkeit der GOP 01100 EBM-Ä bei gleichzeitig verhältnismäßig geringer Ansatzhäufigkeit der GOP 01101 ("Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten zwischen 22:00 und 7:00 Uhr …) weckt allerdings gerade angesichts der überzeugenden Stellungnahme des Berufsverbandes gravierende Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung, denen das LSG nachzugehen haben wird. Das betrifft zunächst die Frage, ob die Ärzte der Klägerin - wie in der Leistungslegende zur GOP 01100 EBM-Ä vorausgesetzt - "durch einen Patienten" in Anspruch genommen worden sind. Daran würde es fehlen, wenn der Operateur einen bei der Klägerin tätigen Anästhesisten telefonisch zum Aufsuchen seiner Praxis aufgefordert hätte. Auch wenn der Anästhesist anschließend in der Praxis des Operateurs auf einen Patienten trifft, liegt darin keine "unvorhergesehene Inanspruchnahme" durch einen Patienten im Sinne der GOP 01100 EBM-Ä. Ferner wäre der Ansatz dieser GOP ausgeschlossen, wenn die Klägerin ihre Patienten dazu aufgefordert hätte, unter der zur Verfügung gestellten Telefonnummer in dem in der Leistungslegende genannten Zeitraum anzurufen. Bei der danach erforderlichen Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (ua Person des Anrufers, Zeitpunkt und Grund des Anrufs), wird der ärztlichen Dokumentation besondere Bedeutung zukommen. Angesichts der genannten Hinweise auf eine Unrichtigkeit der Abrechnung sind hohe Anforderungen an die Darlegungen der Klägerin zu stellen. Trägt die Klägerin dazu nicht substantiiert vor, geht das zu ihren Lasten.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 27/20.

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