Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 4/19 R

Verhandlungstermin 18.08.2020 10:00 Uhr

Terminvorschau

Die Verfahren (B 12 KR 4/19 R, B 12 KR 10/19 R, B 12 KR 14/19 R, B 12 KR 18/19 R; B 12 KR 5/19 R, B 12 KR 9/19 R, B 12 KR 13/19 R, B 12 KR 15/19 R, B 12 KR 19/19 R, B 12 KR 6/19 R, B 12 KR 12/19 R, B 12 KR 16/19 R, B 12 KR 7/19 R, B 12 KR 11/19 R und B 12 KR 17/19 R) betreffen die Frage, ob den als Rentnern in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) pflichtversicherten Klägern zugeflossene Kapitalleistungen eines privaten Versicherungsunternehmens Versorgungsbezüge sind, auf die sie Beiträge zur GKV und sPV entrichten müssen.

Die jeweiligen Kläger waren als Seelotsen tätig und beziehen unter anderem eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie gehörten einer für das jeweilige Seelotsrevier zuständigen Lotsenbrüderschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an (§ 27 Abs 1 Satz 1 Seelotsgesetz <SeeLG>). Einer Lotsenbrüderschaft obliegt es nach § 28 Abs 1 Nr 6 SeeLG, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen. Die aus den Lotsenbrüderschaften gebildete (beigeladene) Bundeslotsenkammer (§§ 34 ff SeeLG), wiederum eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, hatte im Juli 1972 mit einem privaten Versicherungskonzern einen Gruppenversicherungsvertrag (GVV) abgeschlossen, der für bestimmte Lotsenbrüderschaften gilt. Danach ist jeder Lotse, der zugleich Mitglied einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft ist, Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung. Das Versicherungsunternehmen verzichtete auf eine Gesundheitsprüfung. Der GVV konnte nur durch die Bundeslotsenkammer oder das Versicherungsunternehmen gekündigt werden. Die Prämien für die Versicherung wurden unmittelbar durch die Lotsenbrüderschaften von den Lotsgeldern abgezogen und von der Bundeslotsenkammer an das Versicherungsunternehmen gezahlt. Mit Eintritt in den Ruhestand erhielten die Kläger aus der Gruppenversicherung Kapitalleistungen in erheblicher Höhe. Die See-Krankenkasse und deren Rechtsnachfolgerin, die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See, legten diese Kapitalleistungen verteilt auf 10 Jahre mit dem 120ten Teil (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V) als monatliche Versorgungsbezüge gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI der Beitragserhebung zur GKV und sPV zugrunde.

Dagegen haben sich die klagenden Seelotsen ohne Erfolg gewandt. Die beklagte DRV Knappschaft-Bahn-See sowie die Instanzgerichte haben sich unter anderem auf ein früheres Urteil des Bundessozialgerichts zu dieser Thematik vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) gestützt. Demgegenüber berufen sich die Kläger in erster Linie auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11). Danach hänge die beitragsrechtliche (Nicht-)Berücksichtigung von Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung als Versorgungsbezug gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V entscheidend davon ab, ob der Betroffene Versicherungsnehmer gewesen oder geworden sei.

R. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, beigeladen: Bundeslotsenkammer
Der früher als Seelotse tätige Kläger bezog seit 1.1.2012 unter anderem eine Erwerbsminderungsrente der beklagten DRV Knappschaft-Bahn-See. Im Januar 2012 erhielt er von dem privaten Versicherungsunternehmen auf der Grundlage des GVV einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 50 134,29 Euro und 226 574,19 Euro (zusammen 276 708,48 Euro). Diese legte die Beklagte mit dem 120ten Teil als Versorgungsbezüge der Beitragserhebung in der GKV und sPV bis zum Differenzbetrag aus Beitragsbemessungsgrenze und gesetzlicher Rente für die Zeit ab 1.2.2012 zugrunde.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Itzehoe - S 33 KR 63/13, 18.03.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 5 KR 67/16, 25.04.2018

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 29/20.

Terminbericht

Die durch Teilvergleich auf die erstmalige Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung beschränkte Revision hatte keinen Erfolg. Die dem Seelotsen von einem privaten Versicherungsunternehmen zugeflossenen Kapitalbeträge ist als Rente einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungs und Versorgungseinrichtung beitragspflichtige Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V. Die Seelotsen wurden mit ihrer jeweiligen Bestallung über den zwischen der beigeladenen Bundeslotsenkammer und dem privaten Versicherungsunternehmen 1972 geschlossenen Gruppenversicherungsvertrag im Wege einer unechten Gruppenversicherung gegen das Risiko einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung versichert. Diese Versicherung war ausschließlich den Seelotsen bestimmter Lotsenbrüderschaften und damit bestimmten Berufsangehörigen vorbehalten. Ihre Exklusivität zeigt sich ua darin, dass das Versicherungsunternehmen auf eine Gesundheitsprüfung verzichtete, eine Kündigung des Versicherungsverhältnisses durch die Lotsen als Versicherungsnehmer nicht vorgesehen war und die Lotsenbrüderschaften die Versicherungsprämien von den Lotsgeldern einbehielten. Ob die Gruppenversicherung notwendig war, um eine ausreichende Versorgung der Seelotsen zu gewährleisten, spielt keine Rolle. Ein Verfassungsverstoß liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Ein Verbot der Doppelverbeitragung, wonach durch bereits verbeitragtes Arbeitsentgelt finanzierte Leistungen in der Auszahlungsphase nicht der Beitragspflicht unterfallen dürften, existiert nicht. Mit dem Wegfall der Beitragspflicht so genannter "Riesterrenten" zum 1. Januar 2018 durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat sich der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung bewegt. Das BVerfG hält lediglich bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V dann eine Beitragsfreiheit für geboten, wenn der betroffene Arbeitnehmer in die Position des Versicherungsnehmers eingerückt und der Bezug zur beruflichen Tätigkeit, zB nach Aufgabe der Tätigkeit oder einer Weiterversicherung bei einer Pensionskasse ohne Beteiligung des Arbeitgebers, nicht mehr gegeben ist. Selbst wenn diese Überlegungen auf Renten einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungs- und Versorgungseinrichtung übertragen werden könnten, wäre die Beitragspflicht mangels aufgelösten Betriebsbezugs nicht entfallen. Der Kläger war während der gesamten Einzahlungsphase als Seelotse tätig.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 29/20.

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