Verhandlung B 11 AL 6/19 R
Winterbeschäftigungs-Umlage - Umlagepflicht - Betriebsabteilung Trockenbau
Verhandlungstermin
14.10.2020 14:00 Uhr
Terminvorschau
N. B. GmbH ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin, ein Maler- und Lackiererbetrieb mit 20 gewerblichen Arbeitnehmern, erbringt auch Fliesenverlege- und Trockenbauarbeiten; die Bauleistungen in diesen Bereichen, denen ein verantwortlicher Leiter vorangestellt war und zwischen denen es keinen personellen Austausch gab, wurden von jeweils drei Beschäftigten ausgeführt. Für die Bereiche Fliesenverlegung und Trockenbau setzte die Beklagte nach Mitteilung der Bruttolohnsummen der sechs Beschäftigen die Winterbeschäftigungs-Umlage fest. Das SG hat die Klage abgewiesen. Je drei Arbeitnehmer der Klägerin seien in den selbständigen Betriebsabteilungen Fliesenverlegung und Trockenbau beschäftigt gewesen. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Erbringung einer Winterbeschäftigungs-Umlage für diese Bereiche greife nicht, weil die Klägerin keiner abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe im Sinne von § 1 Abs 5 Baubetriebeverordnung (BaubetrV) angehöre, bei der eine Einbeziehung nicht zu einer Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit oder zu einer Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse der von saisonbedingtem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer führe. Sie sei insbesondere nicht Mitglied eines Verbandes oder einer Interessengemeinschaft von Betrieben, die Trockenbau und Fliesenverlegearbeiten nur im Innenbereich durchführten und deshalb nicht förderfähig seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die "Einbeziehung der Betriebsabteilung Trockenbau in die Winterbeschäftigungsumlage" aufgehoben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die vom Gesamtbetrieb getrennte Betriebsabteilung Trockenbau sei nach § 1 Abs 5 BaubetrV von der Umlagepflicht ausgenommen. Sie sei nicht förderfähig, weil witterungsunabhängige Arbeiten ausgeführt würden. Zudem gehöre sie einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe witterungsunabhängiger Trockenbauunternehmen an. Hierfür spreche die Bildung der Bundesfachabteilung Akustik und Trockenbau unter dem Dach des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, deren Mitgliedsbetriebe witterungsunabhängigen Trockenbau im Innenbereich ausführten. Die Einbeziehung des Bereichs Fliesenverlegung in die Umlagepflicht sei zu Recht erfolgt.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das LSG habe nicht ermittelt, ob die Bundesfachabteilung Akustik und Trockenbau rechtlich selbständig sei und welchem Mitgliederkreis der Beitritt offen stehe. Zu Unrecht sei es davon ausgegangen, dass die Betriebsabteilung Trockenbau nach § 1 Abs 5 BaubetrV von der Umlagepflicht ausgenommen sei.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Gotha - S 49 AL 2932/14, 21.03.2016
Thüringer Landessozialgericht - L 10 AL 546/16, 16.05.2018
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten hatte im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung an das LSG Erfolg. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Festsetzung der Winterbeschäftigungs-Umlage für die Bereiche Trockenbau und Fliesenverlegung rechtmäßig ist.
Die Klägerin erbringt in ihrem Gesamtbetrieb überwiegend Arbeiten des Maler- und Lackiererhandwerks und gehört mit diesen Arbeiten zu den nicht förderungsfähigen Betrieben (§ 2 Nr 7 BaubetrV). Eine Einbeziehung der Bereiche Trockenbau und Fliesenverlegung in die Umlagepflicht nach dem Positivkatalog (§ 1 Abs 2 Nrn 14 und 36 BaubetrV) kommt nur in Betracht, wenn es sich bei den drei dort jeweils beschäftigten Arbeitnehmern um Betriebsabteilungen im Sinne des § 1 Abs 1 BaubetrV handelt. Mangels eigenständiger Umschreibung des Begriffs der Betriebsabteilung im SGB III und in der BaubetrV ist für dessen Bedeutung auf die Rechtsprechung im Arbeitsrecht abzustellen. Nach dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Regelungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff der Betriebsabteilung in der BaubetrV und in den Tarifverträgen des Baugewerbes hinsichtlich des damit verbundenen Erfordernisses einer Abgrenzbarkeit von dem Gesamtbetrieb voneinander abweichen. Entsprechend hat das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegt, dass eine Betriebsabteilung ein räumlich, personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil ist, der mit eigenen technischen Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann. In Konkretisierung dieser Rechtsprechung und in Anlehnung an diejenige des Bundesarbeitsgerichts erfordert die Anerkennung einer Betriebsabteilung iS der BaubetrV, dass eine räumliche und organisatorische Abgrenzung auch für Außenstehende wahrnehmbar ist und die Betriebsabteilung einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Eine bloße betriebsinterne Spezialisierung in der Weise, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmte Aufgaben erfüllen, genügt nicht. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, die das LSG bei seiner Entscheidung noch nicht zugrunde legen konnte, ist eine abschließende Entscheidung des Senats nicht möglich.
Haben die weiteren Ermittlungen des LSG das Ergebnis, dass die Bereiche Trockenbau und Fliesenverlegung als Betriebsabteilungen im Sinne der BaubetrV anzusehen sind, wird es in einem nächsten Schritt prüfen müssen, ob diese im Sinne der Ausnahmeregelung des § 1 Abs 5 BaubetrV zu einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe gehören, bei denen eine Einbeziehung in der Schlechtwetterzeit nicht zu einer Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit oder zu einer Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse der von saisonbedingten Arbeitsausfällen betroffenen Arbeitnehmer führt. Dies wird regelmäßig nicht ohne Nachfragen bei sämtlichen der an dem Bautarifverträgen beteiligten Tarifvertragsparteien aufgeklärt werden können.
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