Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 9/20 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Fallzusammenführung - Beurlaubung eines Patienten

Verhandlungstermin 27.10.2020 12:15 Uhr

Terminvorschau

Klinikverbund A. gGmbH ./. AOK Bayern
Ein bei der beklagten Krankenkasse Versicherter wurde in dem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus der Klägerin vom 8. - 20.6.2012 stationär wegen einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Vereiterung und Aufweichung im Sprunggelenk (Sprunggelenksempyem und Weichteilmazeration) konservativ mit Gelenkspülungen und systemischer Antibiose behandelt. Zum Erhalt des Unterschenkels wurde die Indikation zur Versteifung des Sprunggelenks gestellt. Da der Versicherte in der Zwischenzeit allerdings wegen einer kardialen Dekompensation mit dem Arzneimittel Plavix behandelt worden war, musste vor Durchführung der Versteifungsoperation das Abklingen der Medikamenteneinwirkung abgewartet werden. Der Versicherte wurde daher am 20.6.2012 entlassen und am 25.6.2012 zur Durchführung der Operation wieder aufgenommen (stationäre Behandlung vom 25.6. - 20.7.2012). Für den ersten stationären Aufenthalt (8. - 20.6.2012) berechnete die Klägerin 4558,90 Euro (Fallpauschale DRG F54Z) und für den zweiten stationären Aufenthalt (25.6. - 20.7.2012) 7008,99 Euro (DRG I13B). Die Beklagte beglich die Rechnungen zunächst, rechnete jedoch später in Höhe von 3426,48 Euro mit unstreitigen Forderungen der Klägerin auf: Da die Operation nur wegen der noch bestehenden Medikamenteneinwirkung habe verschoben werden müssen, hätte der Versicherte nach § 1 Abs 7 der Fallpauschalenvereinbarung für 2012 beurlaubt werden können und nicht entlassen werden müssen. Es sei daher von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen, der nach DRG F21A in Höhe von 8141,41 Euro abzurechnen sei. Das SG hat der Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung stattgegeben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung noch für eine Beurlaubung vor, letzteres bereits deshalb, weil infolge der Medikamenteneinwirkung keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in Bezug auf die anstehende Operation mehr bestanden habe.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V. Im vorliegenden Fall hätte eine Fallzusammenführung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens stattfinden müssen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Augsburg - S 10 KR 320/15, 08.09.2017
Bayerisches Landessozialgericht - L 5 KR 631/17, 29.01.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 40/20.

Terminbericht

Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hat der Senat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung weiterer 3426,48 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin durfte nach dem Grundsatz des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens lediglich einen (einzigen) Behandlungszeitraum abrechnen, nicht jedoch zwei Behandlungszeiträume. Das in § 12 Abs 1 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot erfordert, dass Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens prüfen und bei Bestehen mehrerer gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsalternativen die kostengünstigste wählen. Wählen sie eine unwirtschaftliche Behandlungsalternative, lässt das den Vergütungsanspruch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht vollständig entfallen. Vielmehr hat das Krankenhaus Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele. Daran hält der Senat auch in Ansehung der mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) vom 11.12.2018 eingefügten Regelung des § 8 Abs 5 Satz 3 des Krankenhausentgeltgesetzes fest. Diese Regelung ist - anders als andere Regelungen des PpSG - erst zum 1.1.2019 in Kraft getreten und findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Klägerin führte zwei vollstationäre Behandlungen mit zwischenzeitlicher Entlassung des Versicherten durch und rechnete dafür zwei Fallpauschalen ab. Sie hätte den Versicherten im Hinblick auf die der Durchführung der Operation entgegenstehende, noch nicht abgeklungene Medikamenteneinwirkung aber auch beurlauben können, wodurch eine geringere Vergütung angefallen wäre. § 1 Abs 7 Satz 5 der Fallpauschalenvereinbarung 2012 stand einer Beurlaubung des Versicherten nicht entgegen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 40/20.

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