Verhandlung B 12 KR 34/19 R
Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit - Bürokraft - geringfügige Beschäftigung
Verhandlungstermin
24.11.2020 14:00 Uhr
Terminvorschau
M. B. und T. M. GbR ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. AOK Plus - Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen, 2. Pflegekasse bei der AOK Plus - Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen, 3. G. C., 4. Bundesagentur für Arbeit, 5. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Die klagende Rechtsanwaltskanzlei schloss mit der Beigeladenen zu 3. für die Zeit zwischen deren Abiturabschlussprüfung und dem Beginn ihres Studiums einen "Rahmenarbeitsvertrag für eine kurzfristige Beschäftigung" als Bürokraft "mit maximal 50 Arbeitstagen" "mit Wirkung vom 01.07.2010 bis 07.09.2010". Auf dieser Grundlage war die Beigeladene zu 3. an 49 Tagen tätig und erhielt ein Arbeitsentgelt in Höhe von 7000 Euro. Die Beklagte forderte hierfür nach einer Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2726,50 Euro von der Klägerin. Es habe sich nicht um eine zeitgeringfügige Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV gehandelt, weil die Zeitgrenze von 50 Arbeitstagen nur maßgeblich sei, wenn die Beschäftigung regelmäßig an weniger als fünf Tagen in der Woche ausgeübt werde.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten aufgehoben, das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beschäftigung sei nicht wegen Geringfügigkeit sozialversicherungsfrei gewesen. Eine sinnvolle Abgrenzung der im Gesetz genannten unterschiedlichen Zeitgrenzen ergebe sich nur, wenn die Grenze von 50 Arbeitstagen ausschließlich für Beschäftigungen von maximal vier Tagen pro Woche Anwendung finde.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sei von einer geringfügigen Beschäftigung auszugehen, wenn diese im Voraus vertraglich auf längstens 50 Arbeitstage begrenzt sei. Eine einschränkende Auslegung verbiete sich wegen der damit verbundenen gleichheitswidrigen Ergebnisse, der belastenden Wirkung von Sozialversicherungsbeiträgen und des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit beitragsrechtlicher Tatbestände.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Dresden - S 25 KR 793/12, 24.04.2013
Sächsisches Landessozialgericht - L 2 KR 108/13, 13.12.2018
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen. Die Beklagte durfte für die nicht berufsmäßig ausgeübte Beschäftigung der Beigeladenen zu 3. in der Zeit vom 1.7.2010 bis zum 7.9.2010 keine Sozialversicherungsbeiträge fordern. Wegen der vertraglich im Voraus vereinbarten Begrenzung auf längstens 50 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahrs war der Tatbestand der Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 12.11.2009 erfüllt. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschäftigung nicht an weniger als fünf Tagen in der Woche ausgeübt wurde und die Tatbestandsalternative einer vertraglichen Begrenzung auf "längstens zwei Monaten" ausscheidet. Dass für die nach Arbeitstagen berechnete Zeitgrenze bei einer 5-Tage-Woche kein Raum sei, ist weder dem Wortlaut noch den gesetzgeberischen Motiven zu entnehmen. Die den Anwendungsbereich der Zeitgeringfügigkeit einschränkende Auslegung verbietet sich auch wegen des mit der Erhebung von Pflichtbeiträgen verbundenen Eingriffs in Art 2 Abs 1 GG. Die bisherige Rechtsprechung des BSG steht dem hier gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen.
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