Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 29/19 R

Regelleistungsvolumen - radiologische Berufsausübungsgemeinschaft

Verhandlungstermin 25.11.2020 11:30 Uhr

Terminvorschau

Die Verfahren B 6 KA 29/19 R, B 6 KA 30/19 R und B 6 KA 31/19 R betreffen die Höhe des vertragsärztlichen Honorars radiologischer BAGen im Bereich der KÄV Schleswig-Holstein im Jahr 2009. Neben der Bewertung schnittbildradiologischer Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) und deren mangelnder Anpassung im Zuge der Neuregelung der Vergütungssystematik mit Einführung eines unter dem Kalkulationspunktwert liegenden Orientierungswertes ab dem Quartal 1/2009 ist vor allem umstritten, ob für die Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) für Mitglieder von BAGen unterschiedliche Fallwerte zugrunde gelegt werden dürfen, abhängig davon, ob sie eine Genehmigung zur Erbringung von CT- und/oder MRT-Leistungen haben. In den Verfahren B 6 KA 29/19 R und B 6 KA 31/19 R ist zudem die Rechtmäßigkeit einer Regelung der Honorarverteilungsvereinbarung (HVV) streitig, nach der die RLV für Ärzte in Arztgruppen mit weniger als 20 Ärzten und einer relativen Streuung von mindestens 30 % auf Basis der individuellen Fallwerte ermittelt werden ("Individualbudgets").

Das LSG hielt in allen drei Verfahren eine Anpassung der Bewertung schnittbildradiologischer Leistungen im EBM-Ä 2009 nicht für erforderlich. Der tatsächliche Auszahlungspunktwert vor Einführung des Orientierungswertes habe wesentlich niedriger gelegen als der Kalkulationspunktwert. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 sei auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als darin bei den Fachärzten für Radiologie darauf abgestellt werde, ob ein CT bzw MRT vorgehalten werde. Die Zuordnung zur Gruppe der Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung eines CT und MRT erfordere auch die Genehmigung zur Abrechnung entsprechender Leistungen. In den Verfahren B 6 KA 29/19 R und B 6 KA 31/19 R hat das LSG zudem entschieden, dass auch die Bildung von Individualbudgets rechtmäßig sei. Die Vertragspartner auf Landesebene seien ermächtigt gewesen, eine solche Ausgestaltung der RLV in Ausnahmefällen vorzunehmen. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass bei Fachgruppen mit einer sehr geringen Anzahl von Ärzten der für die RLV-Bildung im Regelfall heranzuziehende durchschnittliche Fallwert wenig aussagekräftig sei.

Mit ihren Revisionen rügen die Klägerinnen jeweils eine Verletzung von § 87b Abs 2 und 5, § 87 Abs 2 SGB V aF sowie des Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG (Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit) und des § 72 Abs 2 SGB V (Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung). Die Bewertung der schnittbildradiologischen Leistungen im EBM-Ä 2009 sei rechtswidrig, denn die EBM-Kalkulation basiere auf falschen Daten und Berechnungsgrundlagen. Die Festlegung eines vom Kalkulationswert deutlich nach unten abweichenden Orientierungspunktwertes ab 2009 hätte zwingend eine Höherbewertung der schnittbildradiologischen Leistungen zur Folge haben müssen. Zudem habe in den BAGen ein einheitlicher Fallwert für die Fachärzte für diagnostische Radiologie zugrunde gelegt werden müssen, da der Beschluss des EBewA auf die Vorhaltung von CT bzw MRT und nicht auf das Vorliegen einer Genehmigung abstelle. Eine BAG trete im Rechtsverkehr und gegenüber der KÄV wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit auf. Auch die Bildung von "Individualbudgets" sei rechtswidrig. Es mangele bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für eine solche Regelung durch die Partner der Gesamtverträge auf Landesebene. In den Verfahren B 6 KA 30/19 R und B 6 KA 31/19 R wird zudem das Vorliegen von Praxisbesonderheiten bzw eines Härtefalles geltend gemacht.

BAG Dr. R. und Kollegen ./. KÄV Schleswig-Holstein, 2 Beigeladene
Die Klägerin ist eine BAG mit einem Facharzt für Nuklearmedizin und sechs Fachärzten für diagnostische Radiologie, von denen drei eine Genehmigung zur Durchführung von CT- und MRT-Leistungen und drei eine Genehmigung nur zur Durchführung von CT-Leistungen haben. Streitig ist die Vergütung der Klägerin für das Quartal 3/2009. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet, in den im Revisionsverfahren noch streitigen, oben dargestellten Punkten teilte es aber die Rechtsauffassung der Beklagten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kiel - S 16 KA 1083/13, 20.7.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 4 KA 12/17, 04.06.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 42/20.

Terminbericht

Die Revision der klagenden BAG war erfolglos. Ein Anspruch auf eine höhere Vergütung im Quartal 3/2009 bestand nicht.

Die punktzahlmäßigen Bewertungen der schnittbildradiologischen Leistungen im EBM-Ä 2009 stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Die Partner des BewA haben unter Heranziehung wissenschaftlicher Erhebungen die wertmäßige Relation der einzelnen (radiologischen) Leistungen zueinander im Rahmen des ihnen zukommenden Gestaltungsspielraums festgelegt. Dass im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Umsätze radiologischer Praxen ein höherer Punktwert kalkuliert worden ist, als mit dem Orientierungswert tatsächlich für 2009 festgelegt werden konnte, macht die Bewertungsrelationen nicht fehlerhaft.

Die Differenzierung im Beschluss des Erweiterten Bundesausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2020 bzw in der Honorarverteilungsvereinbarung (HVV) bei den den Regelleistungsvolumen (RLV) unterfallenden Fachärzten für Diagnostische Radiologie danach, ob diese ein CT und/oder MRT vorhalten, ist rechtmäßig. Im Hinblick auf die erhöhten Kosten bei Vorhalten eines CT und/oder MRT dient sie der Vermeidung eines Mischfallwerts für eine einheitliche Gruppe der Diagnostischen Radiologen, der einerseits die Notwendigkeit der Finanzierung eines CT bzw MRT nicht hinreichend berücksichtigt, andererseits zu überhöhten Fallwerten bei Ärzten führt, die kein CT bzw MRT vorhalten.

Zu Recht hat die beklagte KÄV bei der Berechnung des RLV für Mitglieder von BAGen unterschiedliche Fallwerte zugrunde gelegt, abhängig davon, ob sie eine Genehmigung zur Erbringung von CT- und/oder MRT-Leistungen haben. "Vorhalten" im Sinne des Beschlusses des EBewA erfordert nicht nur das Vorhandensein des Geräts, sondern auch die Genehmigung zur Abrechnung der entsprechenden Leistungen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die BAG der KÄV bei der Honorarabrechnung als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenübertritt, denn die Ermittlung der RLV erfolgt nach dem Beschluss des EBewA arztbezogen.

Auch die Ermittlung des RLV für Ärzte in Arztgruppen mit weniger als 20 Ärzten und einer relativen Streuung von mindestens 30 % auf Basis der individuellen Fallwerte ist rechtmäßig. Die Vertragspartner der HVV waren zu einer solchen Regelung ermächtigt, da der Beschluss des EBewA den Vertragspartnern die Möglichkeit eröffnet hatte, "Modifikationen" der Arztgruppen vorzunehmen. Mit der Regelung wird in angemessener Form dem Umstand Rechnung getragen, dass Durchschnittswerte bei sehr kleinen Arztgruppen wenig aussagekräftig sind und durch einzelne Ausreißer sehr stark verzerrt werden können. Die Grenzziehung bei 20 Ärzten und einer Streubreite von 30 % ist nicht erkennbar ungeeignet und hält sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner der HVV.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 42/20.

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