Verhandlung B 5 RS 1/20 R
Sonderversorgungssystem - Volkspolizei - Arbeitsentgelt - Verpflegungsgeld
Verhandlungstermin
09.12.2020 11:30 Uhr
Terminvorschau
S. ./. Freistaat Thüringen
Das Polizeiverwaltungsamt des beklagten Freistaats stellte mit Überführungsbescheid vom 15.10.1998 die Zugehörigkeit des Klägers zur Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Sonderversorgungssystem Nr 2 der Anlage 2 zum AAÜG) für den Zeitraum vom 9.1.1961 bis zum 30.9.1990 und die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte fest. Im Januar 2009 beantragte der Kläger die Berücksichtigung gezahlter Zuschläge (Verpflegungs- und Bekleidungsgeld) als Arbeitsentgelt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 5.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010).
Das SG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG diese Entscheidung teilweise aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, das im Zeitraum von 1961 bis 1981 gezahlte Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt festzustellen; hinsichtlich des Bekleidungsgelds ist die Berufung zurückgewiesen worden. Das Verpflegungsgeld sei Arbeitsentgelt iS von § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG iVm § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Es sei auch auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Steuerrechts lohnsteuerpflichtig gewesen. Im Zuge lohnpolitischer Maßnahmen habe die Einführung des Verpflegungsgelds eine Angleichung der Gehälter herbeiführen sollen. Dies gehe über einen betriebsfunktionalen Zusammenhang hinaus. Auch spreche die Höhe des Verpflegungsgelds - gerade im Verhältnis zum Gesamteinkommen - für dessen Einstufung als Arbeitsentgelt. Im Gegensatz dazu habe das Bekleidungsgeld die Einkommenssituation der Beschäftigten nicht erheblich verbessert. Es habe den Charakter eines pauschalierten Aufwendungsersatzes gehabt und sei im Übrigen auch zweckentsprechend einzusetzen gewesen.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von §§ 6, 8 AAÜG und von § 14 SGB IV. Die Gesamtwürdigung aller Umstände ergebe, dass der mit dem Verpflegungsgeld verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund gestanden habe. Es sei dem Verordnungsgeber nur um Regelungen im Interesse des Dienstherrn und nicht um Entgeltinteressen der Beschäftigten gegangen.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Meiningen - S 5 R 3136/10, 17.10.2013
Thüringer Landessozialgericht - L 3 R 837/18, 15.05.2019
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Terminbericht
Die Revision des Beklagten war erfolgreich. Das Urteil des LSG wurde dahingehend geändert, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG insgesamt zurückgewiesen wurde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Verpflegungsgeld als weiteres Arbeitsentgelt iS von § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG. Das Verpflegungsgeld war nicht Bestandteil der Besoldung. Es handelte sich nicht um ein lohnsteuerpflichtiges Entgelt, sondern um eine zusätzliche Zahlung mit überwiegend betriebsfunktionaler Zielsetzung. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau der für den zu beurteilenden Zeitraum in der DDR geltenden Regelungen. Danach sollte durch das Verpflegungsgeld nicht die Arbeitsleistung entgolten werden. Es stellte sich vielmehr als eine davon losgelöste Maßnahme im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers dar. Das an Angehörige der Volkspolizei gezahlte Verpflegungsgeld ist ebenso einzuordnen wie das in der Zollverwaltung der DDR gezahlte Verpflegungsgeld, für das der Senat die Entgeltqualität bereits mit Urteil vom 27.6.2019 verneint hat. Das Verpflegungsgeld diente ebenso wie die kostenlose Vollverpflegung dem Ziel, die körperlich volle Einsatzfähigkeit der Bediensteten der Volkspolizei sicherzustellen. Soweit mit der Zahlung des Verpflegungsgeldes auch eine Verbesserung der finanziellen Situation der Beschäftigten der Volkspolizei verbunden war, trat dies gegenüber dem Ziel einer "weiteren Festigung und Qualifizierung des Kaderbestandes" zurück. Es bestand eine grundsätzliche Pflicht zur Annahme der kostenlosen Verpflegung als Sachbezug, sofern eine solche gewährleistet war. Die Zahlung entfiel, soweit anderweitig, etwa in einem Krankenhaus oder auch in einer anderen staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtung, Verpflegung gewährt wurde. Die vor allem zu Beginn nicht unerhebliche Höhe des Verpflegungsgeldes im Verhältnis zur Besoldung und der Umstand, dass das Verpflegungsgeld zur Deckung eines existenziellen Bedarfs diente, führt im Rahmen der gebotenen Gesamtschau aller relevanten Gesichtspunkte nicht zu einer Bewertung als Arbeitsentgelt.
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