Verhandlung B 1 KR 13/20 R
Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Spontanatmungsstunden
Verhandlungstermin
17.12.2020 12:30 Uhr
Terminvorschau
B. gGmbH ./. BARMER
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses, in dem ein bei der beklagten KK Versicherter nach notfallmäßiger Aufnahme wegen zunehmender Atemnot (Dyspnoe) stationär vom 7. bis 14.1.2015 behandelt wurde. Nach intermittierend nicht-invasiver Beatmung ab dem 9.1.2015 wurde er mit am 13.1.2015 verordnetem Heimbeatmungsgerät nach Hause entlassen, wo die intermittierende Beatmung fortgeführt wurde. Während der stationären Behandlung war keine stabile respiratorische Situation erreicht worden. Die reine Beatmungszeit während des stationären Aufenthalts betrug 75 Stunden und 20 Minuten; rechnet man die Spontanatmungszeiten zwischen den Beatmungsintervallen mit, ergeben sich 115 Beatmungsstunden. Die Klägerin berechnete der Beklagten 12 074,11 Euro nach Fallpauschale (DRG) A13G unter Kodierung von 115 Beatmungsstunden. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, verrechnete am 6.10.2015 aber den Betrag von 4028,33 Euro mit unstreitigen Forderungen der Klägerin wegen der Behandlung anderer Versicherter. Sie sah auf Grundlage einer Stellungnahme des MDK lediglich aufgerundet 76 Beatmungsstunden als nachgewiesen und folglich die DRG E40C als einschlägig an. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrags nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Es sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Gewöhnung an den Respirator eingetreten sei. Dies könne letztlich dahinstehen, da selbst bei Annahme einer Gewöhnung die Voraussetzungen der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) nicht erfüllt seien. Denn vorliegend sei die Entlassung des Versicherten als Beendigungstatbestand der Beatmung einschlägig, der nach seinem klaren Wortlaut (anders als die Beendigung der Beatmung) keine Berücksichtigung von Spontanatmungsstunden während einer Periode der Entwöhnung vorsehe.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 Abs 1 Satz 1, § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG, der Fallpauschalenvereinbarung 2015 und der DKR 1001l.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Koblenz - S 3 KR 742/15, 10.10.2017
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KR 260/17, 07.02.2019
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Terminbericht
Der Senat hat das LSG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Der Vergütungsanspruch der Krankenhausträgerin scheitert nicht daran, dass bei Entlassung des Versicherten aus der stationären Behandlung die Entwöhnung von dem Beatmungsgerät nicht erfolgreich abgeschlossen war. Die DKR 1001l enthält keine Regelung dahingehend, dass Spontanatmungsstunden nur im Rahmen erfolgreicher Entwöhnungen berücksichtigungsfähig seien (vgl BSG Urteil vom 17.19.2019 - B 1 KR 19/19 R). Die von der Klägerin kodierte DRG A13G setzt mehr als 95 Beatmungsstunden voraus. Ob die Klägerin zusätzlich zu den 76 Stunden reiner Beatmungszeit die Spontanatmungsstunden während der Unterbrechungen der Beatmung kodieren durfte, hängt davon ab, ob diese in eine Periode der Entwöhnung fielen. Dies kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden. Die Kodierung von Spontanatmungsstunden als Beatmungsstunden nach DKR 1001l setzt voraus, dass der Versicherte vom Beatmungsgerät durch den Einsatz einer Methode der Entwöhnung entwöhnt wurde, weil zuvor eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung eingetreten ist (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 18/17 R). Daran hält der Senat fest. Der Senat hat die „Gewöhnung“ im Sinne der DKR 1001l in seinem Urteil vom 19.12.2017 definiert als: „die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“. Eine „Gewöhnung“ an das Beatmungsgerät ist daher nicht an weitere, darüber hinausgehende Voraussetzungen geknüpft. Die „Gewöhnung“ kann insbesondere darauf beruhen, dass nach dem Beginn der maschinellen Beatmung die Unfähigkeit zur Spontanatmung (im Sinne der Definition) bereits aufgrund der behandelten Erkrankung oder erst durch eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der maschinellen Beatmung oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren eintritt.
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