Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 27/19 R

Vertragsarztrecht - Sonderbedarfszulassung - tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen - Nachbesetzungsverfahren - Regelzulassung

Verhandlungstermin 27.01.2021 10:00 Uhr

Terminvorschau

D. W. ./. Berufungsausschuss für Ärzte Bayern, 7 Beigeladene
Die klagende Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin begehrt die Erteilung einer Regelzulassung statt der ihr im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens erteilten Sonderbedarfszulassung.

Der Praxisvorgängerin der Klägerin war 2007 eine Zulassung wegen Sonderbedarfs für das Verfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen erteilt worden. Nachdem sie die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für ihren Psychotherapeutensitz beantragt hatte, stellte die beigeladene KÄV im Rahmen einer Bedarfsanalyse fest, dass der betreffende Planungsbereich für die Arztgruppe der Psychotherapeuten gesperrt und auch die Mindestquote von 20% von Therapeuten, die ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, erfüllt sei. Allerdings bestehe weiterhin ein besonderer Versorgungsbedarf, der den Fortbestand der Sonderbedarfszulassung erfordere. Die Zulassung der Klägerin zum 1.7.2015 erfolgte mit der Maßgabe, dass für die Dauer der Sonderbedarfszulassung nur die ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig seien, die im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie stehen. Zudem war die Zulassung an den Ort der Niederlassung am bisherigen Sitz der Praxis gebunden.

Widerspruch und Klage der Klägerin mit dem Begehren, ihr anstelle der Sonderbedarfszulassung eine Regelzulassung zu erteilen, blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den beklagten Berufungsausschuss verurteilt, über den Widerspruch neu zu entscheiden. Die Beschränkungen der Zulassung der Praxisvorgängerin der Klägerin seien nach § 37 Abs 1 Satz 2 Bedarfsplanungsrichtlinie (BedarfsplRL) aF in analoger Anwendung entfallen. Diese Vorschrift habe den Wegfall von Beschränkungen der erteilten Sonderbedarfszulassungen vorgesehen, wenn der Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen zu der Feststellung gelangt sei, dass eine Überversorgung nicht mehr bestehe. Hier habe der Landesausschuss mit Beschluss vom 10.6.2013 festgestellt, dass für Leistungserbringer, die - wie die Klägerin und ihre Praxisvorgängerin - ausschließlich Kinder und Jugendliche behandelten, im Planungsbereich noch insgesamt 3,5 Zulassungen erteilt werden konnten. Zwar sei damit nicht - wie vom Wortlaut des § 37 Abs 1 Satz 2 BedarfsplRL aF gefordert - ein Entfallen der bisherigen Überversorgung festgestellt worden, sondern nur das Bestehen weiterer Zulassungsmöglichkeiten wegen nicht erfüllter Mindestquoten. Jedoch sei wegen der Gleichartigkeit dieser beiden Zulassungsmöglichkeiten eine analoge Anwendung der Vorschrift geboten. Die Beschränkungen der Sonderbedarfszulassungen hätten daher für die Praxisvorgängerin der Klägerin kraft Gesetzes zum 1.7.2013 geendet. Für das Nachbesetzungsverfahren sei dementsprechend die erneute Feststellung des Sonderbedarfs schon gar nicht notwendig gewesen.

Zur Begründung ihrer Revision macht der Beklagte geltend, dass der Sachverhalt der Ausweisung von Mindestquoten nach § 101 Abs 4 SGB V nicht mit dem in § 37 Abs 1 Satz 2 BedarfsplRL aF geregelten Sachverhalt des Entfallens von Überversorgung vergleichbar sei. Auch bestehe keine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertige.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 43 KA 557/16, 13.04.2018
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 22/18, 26.06.2019

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 3/21.

Terminbericht

Die Revision des beklagten Berufungsausschusses war erfolgreich. Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Regelzulassung anstelle der im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens erteilten Sonderbedarfszulassung bzw auf entsprechende Neubescheidung ihres darauf gerichteten Zulassungsantrags.

Ob die in § 37 Abs 1 Satz 2 Bedarfsplanungsrichtlinie (BedarfsplRL) - in der bis zum 3.7.2013 geltenden Fassung (aF) - getroffene Regelung, einen Anspruch der Praxisvorgängerin der Klägerin auf eine Regelzulassung hätte begründen können, lässt der Senat offen. Nach dieser Vorschrift endeten die für die Sonderbedarfszulassung geltenden Beschränkungen, wenn der Landesausschuss für den entsprechenden Planungsbereich feststellt, dass eine Überversorgung gemäß § 103 Abs 1 und 3 SGB V nicht mehr besteht. Einer unmittelbaren Anwendung des § 37 Abs 1 Satz 2 BedarfsplRL aF stand entgegen, dass der Landesausschuss keine Feststellung getroffen hatte, dass Überversorgung nicht mehr besteht, sondern allein festgestellt hat, dass die 20%-Quote nach § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V für Psychotherapeuten, die ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, nicht ausgeschöpft war. Ob § 37 Abs 1 Satz 2 BedarfsplRL aF in dieser Konstellation entsprechend anwendbar war, kann dahingestellt bleiben. Denn die Praxisvorgängerin hat die Erteilung einer Regelzulassung nicht beantragt und ihr Zulassungsstatus hat sich auch nicht kraft Gesetzes geändert. Dass insoweit eine entsprechende statusbegründende Entscheidung durch die Zulassungsgremien erforderlich ist, folgt bereits daraus, dass § 37 Abs 1 Satz 2 BedarfsplRL - anders als § 26 BedarfsplRL - den Konflikt der Bevorrechtigung mit anderen Zulassungen (zB Sonderbedarfszulassung für Belegärzte, Jobsharing) nicht regelt. Zudem kann die Umwandlung einer Sonderbedarfszulassung in eine Regelzulassung nicht gegen den Willen eines Psychotherapeuten erfolgen, sodass ein Antrag oder mindestens das ausdrückliche Einverständnis sowie eine daraufhin ergehende statusbegründende Entscheidung des Zulassungsausschusses notwendig sind. An einer solchen Entscheidung hat es bezogen auf die Praxisvorgängerin der Klägerin gefehlt. Im Übrigen konnte der Klägerin nur eine Zulassung mit den Beschränkungen erteilt werden, die der Zulassungsausschuss bei seiner Entscheidung über die Nachbesetzung im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens nach § 103 Abs 3a SGB V festgelegt hat.

 Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 3/21.

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