Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 RE 2/20 R

Rentenversicherung - Versicherungspflicht - Befreiung - Rechtsanwalt - Angestellter - befristete Beschäftigung - öffentlicher Dienst

Verhandlungstermin 11.03.2021 11:00 Uhr

Terminvorschau

K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2 Beigeladene
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für eine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt auf eine befristete Beschäftigung als Sachbearbeiter zu erstrecken.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) befreite den Kläger ab 1.10.1999 von der Versicherungspflicht in der GRV für seine Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt (Bescheid vom 15.12.1999). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 und einer Zeit der Arbeitslosigkeit nahm der Kläger im November 2009 eine auf zwei Jahre befristete Beschäftigung als Arbeitsvermittler bei einer Arbeitsagentur auf. Hierauf und auch auf weitere befristete Anschlussarbeitsverhältnisse bis zum 31.12.2013 erstreckte die Beklagte auf entsprechende Anträge des Klägers die Befreiung vom 15.12.1999. Von Januar 2014 bis Januar 2015 bezog der Kläger erneut Arbeitslosengeld. Zum 20.4.2015 begann er eine auf ein Jahr befristete Beschäftigung als "Sachbearbeiter Grundsicherung" bei der Beigeladenen zu 1. Seinen Befreiungsantrag für diese Beschäftigung lehnte die Beklagte ab. Eine Erstreckung der Befreiung sei auf Grundlage der neueren Rechtsprechung des BSG ausgeschlossen, weil die neu aufgenommene Beschäftigung nicht unmittelbar an die Beschäftigung anknüpfe, für die die ursprüngliche Befreiung erteilt worden sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das SG hat die ablehnenden Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die im Bescheid vom 15.12.1999 erteilte Befreiung auf die vom 20.4.2015 bis zum 19.4.2016 ausgeübte Beschäftigung zu erstrecken. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Aufgrund des für den Kläger wegen seiner vorübergehenden Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst nach § 47 BRAO maßgeblichen Verbots der Berufsausübung als Rechtsanwalt sei der Anwendungsbereich für eine Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI eröffnet. Ein Missbrauch oder sonstige Gründe, die der - offensichtlich letztmaligen - Erstreckung der Befreiung entgegenstünden, seien nicht ersichtlich.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI. Nach dieser eng auszulegenden Ausnahmevorschrift setze die Erstreckung einen zeitlichen Zusammenhang voraus. Die neu zu befreiende Beschäftigung müsse spätestens drei Monate nach Beendigung der befreiten Beschäftigung aufgenommen werden.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Darmstadt - S 32 R 13/16, 07.03.2019
Hessisches Landessozialgericht - L 1 KR 267/19, 19.12.2019

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Terminbericht

Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die ihm im Jahr 1999 für eine Beschäftigung als angestellter Rechtsanwalt erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf seine im Jahr 2015 aufge­nommene befristete Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. erstreckt wird.

Für die streitbefangene Beschäftigung des Klägers als Sachbearbeiter eines Jobcenters liegen weder die Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI noch die Voraus­setzungen für eine Erstreckung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI vor. Die letztgenannte Regelung erfasst ausnahmsweise auch eine andere nicht anwaltliche Tätigkeit, die lediglich befristet ausgeübt wird, um einen nur vorübergehenden Wechsel des Alterssicherungssystems zu vermeiden. Das BSG hat bereits entschieden, dass eine Erstreckung nach dieser Vorschrift grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn der ursprünglich zur Befreiung führende Sachverhalt weiterhin vorliegt. Das war hier nicht der Fall. Der erforderliche Zusammenhang mit der Tätigkeit, für die die Befreiung ursprünglich erteilt wurde, war nicht mehr gegeben. Die befristete "andere versicherungspflichtige Tätigkeit" unterbrach nicht lediglich die befreite anwaltliche Tätigkeit und schloss sich auch nicht unmittelbar an diese an. Der zur Befreiung führende Sachverhalt war bereits mit Aufgabe der Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt zum 31.12.2008 beendet. Ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang bestand auch dann nicht mehr, wenn für eine Erstreckung entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten lediglich verlangt wird, dass die befristete "andere Tätigkeit" innerhalb von drei Monaten nach Aufgabe der befreiten Beschäftigung aufgenommen wird. Bei einem noch größeren zeitlichen Abstand kommt eine Erstreckung nicht mehr in Betracht. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist für eine Erstreckung nicht ausschlaggebend, dass dem Kläger neben seiner befristeten Beschäftigung im öffentlichen Dienst eine anwaltliche Tätigkeit nach § 47 BRAO untersagt war. Diese berufsrechtliche Vorschrift ermöglicht lediglich den Erhalt des Status als zugelassener Rechtsanwalt, vermag aber die Voraussetzungen des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI nicht zu ersetzen. Der Umstand, dass der Kläger zuvor für vergleichbare Tätigkeiten bereits mehrfach eine Befreiung nach jener Vorschrift erhalten hatte, begründet keinen Anspruch auf Befreiung aus Vertrauensschutzgründen.

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