Verhandlung B 10 EG 6/19 R
Elterngeld - inländischer Wohnsitz - Auslandsbeschäftigung
Verhandlungstermin
18.03.2021 10:45 Uhr
Terminvorschau
N.G. ./. Landeskreditbank Baden-Württemberg
Die Klägerin lebte mit ihrer Familie in einer eigenen Wohnung in W., die mit einem Nießbrauch ihres Vaters belastet ist, der ihr die Wohnung dauerhaft vermietet. Für ihre am 18.3.2017 zweitgeborene Tochter bewilligte die Beklagte der Klägerin Basiselterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat.
Anfang Juli 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Ehemann werde ab September 2017 nach Kanada versetzt. Nach den Angaben seines Arbeitgebers, der Firma D. AG, wurde der Ehemann für die Zeit vom 1.9.2017 bis zum 31.8.2020 mittels eines Entsendevertrags an eine Einsatzgesellschaft in die USA zur Überlassung an die M.-B. K. I. nach Vancouver entsandt. Die Einsatzgesellschaft trug die Personal- und Sachkosten zu 100% und hatte das tägliche Weisungsrecht. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma D. AG ruhte für die Dauer der Entsendung. Die Klägerin äußerte, so viel Zeit wie möglich mit ihrer Familie in Kanada verbringen zu wollen. Sie werde aber in regelmäßigen Abständen nach Hause kommen, wo sie unentgeltlich bei ihren Eltern wohnen könne. Sie behalte ihren Arbeitgeber und ihren Wohnsitz in Deutschland. Die Beklagte hob die Bewilligung für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat (18.9.2017) auf. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Ihr alleiniger Lebensmittelpunkt habe sich in Vancouver befunden. Die Familie habe ihre Wohnung in Deutschland lediglich für vorübergehende Aufenthalte zu Urlaubs-, beruflichen oder familiären Zwecken genutzt. Eine den fehlenden Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ersetzende Entsendung des Ehemanns habe nicht vorgelegen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 BEEG iVm § 30 SGB I. Sie habe ihren Inlandswohnsitz behalten. Auch die Familienkasse gehe von einem inländischen Wohnsitz während der Dauer des Aufenthalts in Kanada aus und habe weiterhin Kindergeld gewährt. Die tatsächliche Zahlung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung durch ihren Ehemann sei einer Entsendung gleichzustellen.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 9 EG 423/18, 10.10.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 EG 4204/18, 15.10.2019
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin war auch hier erfolglos. Die Klägerin hat keinen Anspruch mehr auf Elterngeld ab dem 7. Lebensmonat ihrer im März 2017 geborenen Tochter. Mit der auf 3 Jahre angelegten Übersiedlung nach Kanada hat die Klägerin ihre Wohnung in W. nicht mehr als Mittel- und Schwerpunkt der Lebensverhältnisse genutzt. Die zwischenzeitlichen Inlandsaufenthalte waren von überschaubarer Dauer und dienten begrenzten Zwecken privater, familiärer oder beruflicher Natur. Dies hat das LSG im Rahmen der von ihm zu treffenden Prognose rechtlich einwandfrei entschieden. Der Bezug von Kindergeld führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Bindung der Elterngeldstellen an Entscheidungen im steuerrechtlichen Kindergeldverfahren besteht nicht. Wie im Sozialrecht hängt im Übrigen auch im Steuerrecht die Frage, ob jemand seinen inländischen Wohnsitz trotz Auslandsaufenthalts beibehält, von einer Vielzahl von Faktoren ab (vgl BFH Urteil vom 17.12.2015 – V R 13/15).
Die Klägerin zählte auch nicht über ihren Ehemann zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Dieser erfüllte nicht die Voraussetzungen einer Entsendung. Die während seines Auslandsaufenthalts verbliebene "Restbindung" an den deutschen Arbeitgeber beschränkte sich auf ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis, das keine Ausstrahlungswirkung hat und daher keinen Anspruch auf Elterngeld begründen kann (Senatsurteil vom 27.3.2020 - B 10 EG 7/18 R).
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