Verhandlung B 8 SO 16/19 R
Hilfe zum Lebensunterhalt - notwendiger Lebensunterhalt - stationäre Einrichtung - angemessener Barbetrag
Verhandlungstermin
23.03.2021 13:45 Uhr
Terminvorschau
C. D. ./. Landkreis Lörrach
Die Klägerin ist vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht. Der Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 14.9.2015 Hilfe zur Pflege unter Berücksichtigung eines an die Einrichtung zu zahlenden "Eigenanteils" in Höhe von 1.075,23 Euro. In die Berechnung floss ein Barbetrag in Höhe von 107,73 Euro ein. Die Höhe des Eigenanteils wiederholte sie inhaltsgleich in einem weiterem Bescheid vom 15.9.2015. Der Beklagte passte den "Eigenanteil" während des Gerichtsverfahrens mehrfach an und lehnte Leistungen für Zuzahlungen zur Krankenversicherung, für zahnmedizinisches Füllmaterial, für die Kosten einer Brille (drei Bescheide vom 2.11.2016) sowie für Kontoführungsgebühren (Bescheid vom 24.11.2016) ab. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Bescheide vom 2.11.2016 seien nicht Gegenstand des Rechtsstreits, der auf die Höhe des der Klägerin gewährten Barbetrags beschränkt worden sei. Dessen Höhe sei zutreffend festgesetzt worden. Seine Erhöhung komme auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Kosten in Betracht. Diese seien entweder unangemessen, nicht dem Barbetrag zuzuordnen, keine zu einer Erhöhung des Barbetrages führenden atypischen Kosten oder von abschließenden Sonderregelungen erfasst. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei dadurch nicht verletzt. Es liege auch kein Gleichheitsverstoß gegenüber beihilfeberechtigten Personen bzw Beziehern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Freiburg - S 22 SO 5373/15, 08.06.2016
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 7 SO 2279/16, 24.01.2019
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Terminbericht
Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die als Einheit zu betrachtenden Bescheide vom 14./15.9.2015. Bei sachgerechter Auslegung des Begehrens ist das Klageziel nicht die Gewährung eines höheren Barbetrags, sondern höherer Leistungen der Hilfe zur Pflege. Denn das Renteneinkommen der Klägerin ist zunächst bei dem in der Einrichtung erbrachten (inkludierten) Lebensunterhalt zu berücksichtigen, darüber hinaus freibleibendes Einkommen beim zu zahlenden weiteren notwendigen Lebensunterhalt (§ 27b Abs 2 SGB XII), der nur beispielhaft Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung nennt. Nur ein danach noch verbleibender Einkommensüberschuss ist bei den übrigen Einrichtungskosten anzurechnen. Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es sich beim Barbetrag nur um einen pauschalierten Sockelbetrag handelt. Über den institutionell vorgegebenen Rahmen hinaus soll ein persönlicher Freiraum zur Deckung zusätzlicher Aufwendungen unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts verbleiben. Der Barbetrag ist im Einzelfall zu erhöhen, wenn die ihm zuzuordnenden Bedarfe sonst nicht angemessen gedeckt werden können. Daneben sind sonstige, dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnenden Bedarfe berücksichtigungsfähig, wenn sie nicht von der Einrichtung erbracht oder durch Sondernormen außerhalb des Dritten und Vierten Kapitels abschließend geregelt werden und sie in den Deckungsbereich der sozialhilferechtlich akzeptierten Bedarfe fallen. Erst wenn diese (zusätzlichen) vom Einkommen zu deckenden Lebensunterhaltsbedarfe festgestellt sind, kann beurteilt werden, ob der Klägerin insgesamt höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege zustehen.
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