Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 14/19 R

Rentenversicherungsträger - Prüfhilfen - beihilfeberechtigte Pflegebedürftige - Verwaltungsakt

Verhandlungstermin 27.04.2021 13:00 Uhr

Terminvorschau

Freistaat Bayern ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Das Landesamt für Finanzen ist Festsetzungsstelle für die Beihilfe der Landesbeamten im klagenden Freistaat Bayern. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund prüfte dessen Beitragszahlungen für rentenversicherungspflichtige Pflegepersonen nach § 212a SGB VI für die Jahre 2010 bis 2013. Dabei verweigerte der Kläger die Einsichtnahme in die Unterlagen von Leistungsfällen beihilfeberechtigter Pflegebedürftiger, bei denen keine Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen entrichtet worden waren. Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete die Beklagte den Kläger, "ab sofort maschinelle Prüfhilfen zur Verfügung zu stellen sowie die Einsichtnahme in die Unterlagen aller Leistungsfälle von Pflegebedürftigen - einschließlich derer ohne Beitragszahlung zur Rentenversicherung - zu gewähren". Als Prüfhilfen sollten im Wesentlichen monatliche Beitragslisten mit bestimmten Daten der Pflegepersonen dienen.

Das SG hat den Bescheid aufgehoben, weil die Beklagte zum Erlass eines Verwaltungsakts nicht befugt gewesen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte könne mittels Verwaltungsakt nicht nur die Nachforderung von Beiträgen geltend machen, sondern im Vorfeld des Prüfbescheids auch Durchsetzungs- und Vorlagepflichten konkretisieren. Der Kläger sei nach § 98 Abs 3 iVm Abs 1 Satz 2 und 3 SGB X auskunftspflichtig. Die zur Erfüllung dieser Auskunftspflicht nach § 212a Abs 3 Satz 1 SGB VI festgelegten Prüfhilfen seien angemessen. Datenschutzrecht stehe nicht entgegen.

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Gesetzesvorbehalts nach § 31 SGB I. Eine Befugnis der Beklagten zur einseitigen Konkretisierung der angemessenen Prüfhilfen bestehe nicht. Stattdessen fordere § 212a Abs 3 Satz 3 SGB VI entsprechende Vereinbarungen. Hinsichtlich rentenversicherungsrechtlich nicht relevanter Beihilfeunterlagen stehe den Trägern der Rentenversicherung kein Prüfrecht und damit auch kein Auskunfts- oder Einsichtsrecht zu. Zur Feststellung unberücksichtigter Pflegepersonen sei ausschließlich die Prüfung von Unterlagen der Pflegekassen geeignet und erforderlich. Eine Weitergabe nicht rentenversicherungsrechtlich relevanter Beihilfeunterlagen zum Zwecke der Prüfung sei nicht mit dem Datenschutzrecht vereinbar.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 30 R 1848/14, 14.09.2017
Bayerisches Landessozialgericht - L 7 R 5188/17, 06.06.2019

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Terminbericht

Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte hat vom Kläger zu Recht die Bereitstellung maschineller Prüfhilfen und Einsicht in Beihilfeunterlagen durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) gefordert. Die Befugnis zu diesem Verwaltungshandeln ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des öffentlich-rechtlichen Prüfverhältnisses, das mit einem Über‑/Unterordnungsverhältnis einhergeht. Auch wenn Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich gleichgeordnet sind, wird die Beklagte hier gegenüber dem Kläger hoheitlich tätig. Denn ihr allein kommt die Regelungsmacht zu, über die Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen für alle verbindlich zu entscheiden und die Beitragszahlung zu überwachen. Die Festsetzungsstelle für die Beihilfe nimmt insoweit keine eigenen Entscheidungskompetenzen wahr. Ein mit Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbares Einsichts- und Auskunftsrecht dient der Effektivität der Prüfungsaufgabe. Aus dem gesetzlichen Auftrag in § 212a Abs 3 Satz 3 SGB VI, Vereinbarungen zu schließen, ist kein Verbot anderer Handlungsformen der Verwaltung abzuleiten.

Soweit die Beklagte Listen von Leistungsdaten aus dem beim Kläger maschinell geführten System fordert, handelt sich um "angemessene Prüfhilfen" im Sinne von § 212a Abs 3 Satz 1 SGB VI. Der Umfang der Prüfhilfen entspricht grundsätzlich demjenigen, den auch Arbeitgeber bei einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV leisten müssen. Dass eine Einbeziehung vorhandener maschinell lesbarer Daten angemessen ist, ergibt sich aus § 212a Abs 3 Satz 2 sowie Abs 5 SGB VI über das bei einer Prüfung einzubeziehende automatisierte Abrechnungsverfahren und zu führende Dateisystem. Das Einsichtsverlangen in Beihilfeunterlagen, soweit noch keine Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen entrichtet wurden, richtet sich nach § 98 Abs 1 Satz 2 und 3 iVm Abs 3 SGB X. Die Einsichtnahme ist "für die Erhebung der Beiträge notwendig". Die Erforderlichkeit entfällt nicht deshalb, weil auch bei den Pflegekassen Daten vorhanden sind und nur diese nach § 44 Abs 3 SGB XI Meldepflichten haben. Die fehlende Meldepflicht für die Beihilfefestsetzungsstelle berechtigt diese nicht, ihr vorliegende und ggf noch nicht als relevant erkannte Daten zurückzuhalten. Gegenstand der Prüfung ist insbesondere die Beitragszahlung selbst. Die Pflicht hierzu entsteht kraft Gesetzes und ist für den Kläger nicht von der Erfüllung der Mitteilungspflicht der Pflegekasse abhängig. Ziel der Prüfung ist die Herstellung des objektiv rechtmäßigen Zustands in Bezug auf die Beitragszahlung, um die Finanzierung und Funktionsfähigkeit der Rentenversicherung sicherzustellen. Entgegen der Auffassung des Klägers sind daher grundsätzlich alle Unterlagen beihilfeberechtigter Pflegebedürftiger für die Prüfung "rentenversicherungsrechtlich relevant". Datenschutzrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen, weil die Daten im Rahmen des gesetzlichen Prüfauftrags der Beklagten verarbeitet werden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/21.

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