Verhandlung B 2 U 11/20 R
Unfallversicherung - Wie-Berufskrankheit - posttraumatische Belastungsstörung - Rettungssanitäter
Verhandlungstermin
06.05.2021 10:00 Uhr
Terminvorschau
D. T. ./. Unfallversicherung Bund und Bahn
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als sogenannte "Wie-Berufskrankheit" (Wie-BK).
Der im Jahre 1966 geborene Kläger war als Rettungssanitäter beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit war er unter anderem bei den Geschehnissen in Winnenden eingesetzt und wurde mehrfach mit Selbstmorden konfrontiert. Im Jahre 2016 legte er bei der Beklagten einen Entlassungsbericht einer Klink der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vor, in dem unter anderem eine PTBS diagnostiziert wurde (ICD-10 f 43.1). In dem Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass der Kläger im Rettungsdienst viele traumatisierende Erlebnisse gehabt habe. Gleichzeitig habe er über Personalknappheit und ähnliche ihn belastende Vorgänge in der Rettungswache berichtet. Konkret habe die beschriebene Symptomatik nach zwei Amokläufen begonnen, als der Kläger als Helfer eingesetzt worden sei, sowie nach Suiziden zweier miteinander befreundeter Mädchen. Hierzu führte der Entlassungsbericht aus, dass eine Rückkehr des Klägers in seinen Beruf nicht sinnvoll und die zeitnahe Aufnahme einer kontinuierlichen ambulanten Psychotherapie angezeigt sei. Die Beklagte lehnte sowohl das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als auch die Anerkennung der PTBS als Berufskrankheit (BK) ab. Weiterhin stellte sie fest, dass die Erkrankung auch nicht als eine "Wie-BK" nach § 9 Abs 2 SGB VII anzuerkennen sei, weil keine "neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse" dazu vorlägen, dass Rettungsdienstmitarbeiter durch ihre berufliche Tätigkeit mit dabei einhergehenden psychischen Belastungen körperliche oder geistig-nervliche Erkrankungen erlitten. Der Kläger hat sowohl gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls als auch einer BK Klage zum SG erhoben. Vor dem SG hat er sodann die Klage auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls auf Anraten des SG zurückgenommen.
Das SG hat die nur noch auf Anerkennung einer "Wie-BK" gerichtete Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen. Ausreichend gesicherte neue medizinische Erkenntnisse über ein deutlich erhöhtes Risiko bei Rettungssanitätern, eine beruflich verursachte PTBS zu entwickeln, hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen. Zudem gebe es keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse dafür, dass (allein) die wiederholte Konfrontation der Ersthelfer mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen generell geeignet sei, eine PTBS zu verursachen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 9 SGB VII und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art 103 GG. Die eigenen Literaturrecherchen des LSG seien nicht geeignet, das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft beurteilen zu können, zumal es zahlreiche Studien gäbe, die eine erhöhte Prävalenz der PTBS bei Rettungssanitätern belegen würden. Er falle durch alle Raster, wenn seine, durch die von ihm während seiner Tätigkeit erlebten Ereignisse ausgelöste psychische Erkrankung weder als Arbeitsunfall noch als Berufskrankheit anerkannt werden könne.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 1 U 1682/17, 08.11.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 U 4271/18, 13.12.2019
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Terminbericht
Der Senat hat den Rechtsstreit vertagt. Er hat angekündigt, dass er beabsichtigt, zu der generellen Tatsache, ob die PTBS nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen die bestimmte Personengruppe der Rettungssanitäter durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist, ein Gutachten einzuholen.
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