Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 24/20 R

Krankenversicherung - MDK-Prüfverfahren - Krankenhausabrechnung - Unterlagenanforderung - materiell-rechtliche Ausschlussfrist

Verhandlungstermin 18.05.2021 13:00 Uhr

Terminvorschau

In den Fällen 3 bis 9 streiten die Beteiligten jeweils über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Streitig ist dabei, ob die Regelungen in § 7 Abs 2 Satz 4 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 1.9.2014 (PrüfvV 2014, Fälle 3 <B 1 KR 24/20 R> und 4 <B 1 KR 32/20 R>) sowie § 7 Abs 5 der PrüfvV 2014 (Fälle 6 <B 1 KR 34/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R>) und der PrüfvV 2016 (Fälle 5 <B 1 KR 33/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 9 <B 1 KR 42/20 R>) Vergütungsansprüche bzw Vergütungsnachforderungen ausschließen.

Klinikum K. GmbH ./. AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen
Das klagende Krankenhaus behandelte eine bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vom 20. bis 22.5.2015 nach notfallmäßiger Aufnahme wegen zunehmender Luftnot unter laufender Chemotherapie bei metastasierendem Brustkrebs stationär und rechnete hierfür einen Betrag von 2078,64 Euro nach DRG E71C ab. Die Krankenkasse zahlte den Rechnungsbetrag zunächst und leitete eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bezug auf die Verweildauer ein. Der MDK teilte dem Krankenhaus den Prüfauftrag mit und forderte bei diesem mehrere im Einzelnen benannte Behandlungsunterlagen an. Er fügte hinzu, sollten darüber hinaus weitere Unterlagen für die Bewertung des Sachverhalts relevant sein, so seien diese den genannten Unterlagen beizufügen. Nach dem Gutachten des MDK legte das Krankenhaus lediglich den "Krankenhausentlassungsbericht" sowie "Laborbericht(e) / Mikrobiologie / Blutgasanalysen" vor. Daraus erschloss sich dem MDK die Notwendigkeit der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung nicht in allen Teilen. Die Krankenkasse verrechnete daraufhin einen Erstattungsbetrag von 1166 Euro mit unstreitigen Vergütungsforderungen des Krankenhauses.

Im Verfahren vor dem SG legte das Krankenhaus auf Anforderung der Krankenkasse die vollständige Patientenakte vor. Auf dieser Grundlage bestätigte der MDK die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für den gesamten Zeitraum. Das SG hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1166 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der streitige Vergütungsanspruch sei nach § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV mit Ablauf der vierwöchigen Frist zur Vorlage der zur Prüfung der Rechnung vom MDK benötigten und angeforderten Unterlagen erloschen. Die Vorschrift enthalte der Sache nach eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die bewirke, dass der Vergütungsanspruch bei nicht fristgerechter Vorlage der angeforderten Unterlagen auf den von der Krankenkasse zugestandenen Betrag beschränkt sei.

Das klagende Krankenhaus rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 133 und 157 BGB und § 17c Abs 2 Satz 1 und 2 KHG.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kassel - S 12 KR 171/17, 14.02.2018
Hessisches Landessozialgericht - L 8 KR 221/18, 28.05.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 19/21.

Terminbericht

Der Senat hat in den Verfahren 3 <B 1 KR 24/20 R>, 4 <B 1 KR 32/20 R>, 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> entschieden, dass sowohl § 7 Abs 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) - Fassung 2014 - als auch § 7 Abs 5 PrüfvV - Fassung 2014 und 2016 - jeweils eine materielle Präklusionsregelung enthalten. Die Regelungen sind durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Sie ermächtigt die Parteien der PrüfvV, an die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfverfahren Rechtsfolgen zu knüpfen, die auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs betreffen.

In den Fällen 3 <B 1 KR 24/20 R> und 4 <B 1 KR 32/20 R> ist der Vergütungsanspruch des Krankenhauses jeweils nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Krankenhaus vom MDK angeforderte Unterlagen nicht (fristgerecht) vorgelegt hat. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV enthält keinen materiell-rechtlichen Ausschluss des Vergütungsanspruchs. Vielmehr darf danach der Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht mit Unterlagen begründet werden, die der MDK in einem ordnungsgemäßen Prüfverfahren angefordert hat, das Krankenhaus jedoch nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorlegt. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren endgültig ausgeschlossen.

In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> waren die auf Änderungen der jeweiligen Datensätze gestützten Nachforderungen der klagenden Krankenhäuser nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen. Danach ist die Änderung des nach § 301 SGB V an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der dort geregelten Änderungsmöglichkeiten grundsätzlich unzulässig, soweit er Gegenstand des Prüfverfahrens (gewesen) ist. Das gilt sowohl für Nachforderungen als auch bei gleichbleibendem oder vermindertem Rechnungsbetrag. Das Krankenhaus verliert insoweit das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern. Eine Vergütungsforderung kann nicht auf neue - präkludierte - Daten gestützt werden. Denn Voraussetzung für die Fälligkeit des Nachforderungsanspruchs ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung, die nur vorliegt, wenn die betreffenden Daten noch (rechtmäßig) übermittelt werden durften. § 7 Abs 5 PrüfvV erfasst jedoch nur Änderungen des Teils des Datensatzes, der Prüfgegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens (gewesen) ist. Die Regelung schließt dagegen Datenänderungen nicht aus, die den nicht vom Prüfgegenstand erfassten Teil des Datensatzes betreffen. Mit nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV präkludierten Daten kann - soweit die Daten zutreffen - der Vergütungsanspruch innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV gebietet zudem eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts: Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn das Krankenhaus Daten nach § 301 SGB V gerade in Umsetzung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R> und 7 <B 1 KR 37/20 R> durften die Krankenhäuser ihre Schlussrechnungen daher jeweils ändern und weitere Vergütung von der Krankenkasse nachfordern. Im Fall 8 <B 1 KR 39/20 R> konnte der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

3) 13.00 Uhr - B 1 KR 24/20 R - Klinikum K. GmbH ./. AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen

Die Revision des klagenden Krankenhauses hatte Erfolg. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Das LSG muss feststellen , ob die Voraussetzungen des geltend gemachten Vergütungsanspruchs vorliegen. Es darf dabei die (konkret bezeichneten) Unterlagen nicht berücksichtigen, die der MDK beim Krankenhaus angefordert und die dieses nicht (innerhalb der Frist von 4 Wochen) vorgelegt hat.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/21.

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