Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 32/20 R

Krankenversicherung - MDK-Prüfverfahren - Krankenhausabrechnung - Unterlagenanforderung - materiell-rechtliche Ausschlussfrist

Verhandlungstermin 18.05.2021 13:00 Uhr

Terminvorschau

In den Fällen 3 bis 9 streiten die Beteiligten jeweils über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Streitig ist dabei, ob die Regelungen in § 7 Abs 2 Satz 4 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 1.9.2014 (PrüfvV 2014, Fälle 3 <B 1 KR 24/20 R > und 4 <B 1 KR 32/20 R>) sowie § 7 Abs 5 der PrüfvV 2014 (Fälle 6 <B 1 KR 34/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R>) und der PrüfvV 2016 (Fälle 5 <B 1 KR 33/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 9 <B 1 KR 42/20 R>) Vergütungsansprüche bzw Vergütungsnachforderungen ausschließen.

W. Klinikum GmbH & Co. KG ./. Techniker Krankenkasse
Das klagende Krankenhaus behandelte eine bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vom 9. bis 15.12.2015 stationär und rechnete hierfür 7607,48 Euro nach DRG L06A ab. Die Krankenkasse zahlte diesen Betrag zunächst und leitete eine Prüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung durch den MDK ein. Der MDK forderte beim Krankenhaus zwölf im Einzelnen genannte Behandlungsunterlagen an. Eine Begutachtung durch den MDK erfolgte unter Hinweis darauf nicht, dass das Krankenhaus die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe. In der Folge verrechnete die Krankenkasse den Rechnungsbetrag mit unstreitigen Vergütungsforderungen des Krankenhauses. Das SG hat die Klage auf Zahlung der abgerechneten Vergütung abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Krankenhauses zurückgewiesen. Da das Krankenhaus die vom MDK angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe, sei der Vergütungsanspruch insgesamt weggefallen. Denn § 7 Abs 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014 enthalte eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist und sei insoweit von der Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt.

Das klagende Krankenhaus rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 17c Abs 2 KHG und § 7 Abs 2 Satz 3 und 4 PrüfvV.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Marburg - S 14 KR 1/18, 02.01.2019
Hessisches Landessozialgericht - L 8 KR 41/19, 27.08.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 19/21.

Terminbericht

Der Senat hat in den Verfahren 3 <B 1 KR 24/20 R>, 4 <B 1 KR 32/20 R>, 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> entschieden, dass sowohl § 7 Abs 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) - Fassung 2014 - als auch § 7 Abs 5 PrüfvV - Fassung 2014 und 2016 - jeweils eine materielle Präklusionsregelung enthalten. Die Regelungen sind durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Sie ermächtigt die Parteien der PrüfvV, an die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfverfahren Rechtsfolgen zu knüpfen, die auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs betreffen.

In den Fällen 3 <B 1 KR 24/20 R> und 4 <B 1 KR 32/20 R> ist der Vergütungsanspruch des Krankenhauses jeweils nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Krankenhaus vom MDK angeforderte Unterlagen nicht (fristgerecht) vorgelegt hat. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV enthält keinen materiell-rechtlichen Ausschluss des Vergütungsanspruchs. Vielmehr darf danach der Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht mit Unterlagen begründet werden, die der MDK in einem ordnungsgemäßen Prüfverfahren angefordert hat, das Krankenhaus jedoch nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorlegt. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren endgültig ausgeschlossen.

In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> waren die auf Änderungen der jeweiligen Datensätze gestützten Nachforderungen der klagenden Krankenhäuser nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen. Danach ist die Änderung des nach § 301 SGB V an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der dort geregelten Änderungsmöglichkeiten grundsätzlich unzulässig, soweit er Gegenstand des Prüfverfahrens (gewesen) ist. Das gilt sowohl für Nachforderungen als auch bei gleichbleibendem oder vermindertem Rechnungsbetrag. Das Krankenhaus verliert insoweit das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern. Eine Vergütungsforderung kann nicht auf neue - präkludierte - Daten gestützt werden. Denn Voraussetzung für die Fälligkeit des Nachforderungsanspruchs ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung, die nur vorliegt, wenn die betreffenden Daten noch (rechtmäßig) übermittelt werden durften. § 7 Abs 5 PrüfvV erfasst jedoch nur Änderungen des Teils des Datensatzes, der Prüfgegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens (gewesen) ist. Die Regelung schließt dagegen Datenänderungen nicht aus, die den nicht vom Prüfgegenstand erfassten Teil des Datensatzes betreffen. Mit nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV präkludierten Daten kann - soweit die Daten zutreffen - der Vergütungsanspruch innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV gebietet zudem eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts: Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn das Krankenhaus Daten nach § 301 SGB V gerade in Umsetzung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R> und 7 <B 1 KR 37/20 R> durften die Krankenhäuser ihre Schlussrechnungen daher jeweils ändern und weitere Vergütung von der Krankenkasse nachfordern. Im Fall 8 <B 1 KR 39/20 R> konnte der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

4) 13.00 Uhr - B 1 KR 32/20 R - W. Klinikum GmbH & Co. KG ./. Techniker Krankenkasse

Die Revision des klagenden Krankenhauses hatte Erfolg. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Das LSG muss feststellen, ob die Voraussetzungen des geltend gemachten Vergütungsanspruchs vorliegen. Es darf dabei die (konkret bezeichneten) Unterlagen nicht berücksichtigen, die der MDK beim Krankenhaus angefordert und die dieses nicht (innerhalb der Frist von 4 Wochen) vorgelegt hat.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/21.

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