Verhandlung B 1 KR 37/20 R
Krankenversicherung - MDK-Prüfverfahren - Krankenhausabrechnung - nachträgliche Korrektur
Verhandlungstermin
18.05.2021 14:00 Uhr
Terminvorschau
In den Fällen 3 bis 9 streiten die Beteiligten jeweils über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Streitig ist dabei, ob die Regelungen in § 7 Abs 2 Satz 4 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 1.9.2014 (PrüfvV 2014, Fälle 3 <B 1 KR 24/20 R > und 4 <B 1 KR 32/20 R>) sowie § 7 Abs 5 der PrüfvV 2014 (Fälle 6 <B 1 KR 34/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R>) und der PrüfvV 2016 (Fälle 5 <B 1 KR 33/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 9 <B 1 KR 42/20 R>) Vergütungsansprüche bzw Vergütungsnachforderungen ausschließen.
Kreiskliniken D. gGmbH ./. IKK classic
Das klagende Krankenhaus behandelte die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vollstationär vom 22.6. bis 2.7.2017 und berechnete hierfür 3232,20 Euro auf der Grundlage der DRG X05B. Zu dieser DRG gelangte es, indem es ua als Hauptdiagnose ICD-10-GM T14.1 (Offene Wunde an einer nicht näher bezeichneten Körperregion) kodierte. Die Krankenkasse beglich die Rechnung und beauftragte den MDK mit der Überprüfung, ob das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet und die Hauptdiagnose korrekt kodiert worden sei. Der MDK kam zum Ergebnis, dass als Hauptdiagnose nicht T14.1, sondern T79.3 (Posttraumatische Wundinfektion, anderenorts nicht klassifiziert) zu kodieren sei. Es ergebe sich hierdurch die DRG T01C, wodurch ein Überschreiten der oberen Grenzverweildauer nicht mehr vorliege. Mit Schlussrechnung vom 23.11.2017 änderte das Krankenhaus in Umsetzung der MDK-Stellungnahme die ursprüngliche Abrechnung und forderte von der Krankenkasse auf der Grundlage der DRG T01C vergeblich die Zahlung weiterer 2503,47 Euro.
Das SG hat der Klage stattgegeben. Das LSG hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Dass die stationäre Behandlung der Versicherten richtigerweise unter Kodierung der Hauptdiagnose T79.3 nach der DRG T01C abzurechnen sei, sei unstreitig. Die sich dadurch ergebende Nachforderung in Höhe von 2503,47 Euro sei weder verjährt noch verwirkt und auch nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2016 ausgeschlossen. Die Vorschrift regele keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
Die beklagte Krankenkasse rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 12 Abs 1, § 275 Abs 1 Nr 1, Abs 1c SGB V, § 17c Abs 2 KHG iVm § 3 Satz 1, § 4 Satz 1, § 7 Abs 5 Satz 3 PrüfvV 2016.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Augsburg - S 2 KR 446/18, 25.01.2019
Bayerisches Landessozialgericht - L 4 KR 88/19, 10.09.2020
Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 19/21.
Terminbericht
Der Senat hat in den Verfahren 3 <B 1 KR 24/20 R>, 4 <B 1 KR 32/20 R>, 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> entschieden, dass sowohl § 7 Abs 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) - Fassung 2014 - als auch § 7 Abs 5 PrüfvV - Fassung 2014 und 2016 - jeweils eine materielle Präklusionsregelung enthalten. Die Regelungen sind durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Sie ermächtigt die Parteien der PrüfvV, an die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfverfahren Rechtsfolgen zu knüpfen, die auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs betreffen.
In den Fällen 3 <B 1 KR 24/20 R> und 4 <B 1 KR 32/20 R> ist der Vergütungsanspruch des Krankenhauses jeweils nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Krankenhaus vom MDK angeforderte Unterlagen nicht (fristgerecht) vorgelegt hat. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV enthält keinen materiell-rechtlichen Ausschluss des Vergütungsanspruchs. Vielmehr darf danach der Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht mit Unterlagen begründet werden, die der MDK in einem ordnungsgemäßen Prüfverfahren angefordert hat, das Krankenhaus jedoch nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorlegt. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren endgültig ausgeschlossen.
In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> waren die auf Änderungen der jeweiligen Datensätze gestützten Nachforderungen der klagenden Krankenhäuser nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen. Danach ist die Änderung des nach § 301 SGB V an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der dort geregelten Änderungsmöglichkeiten grundsätzlich unzulässig, soweit er Gegenstand des Prüfverfahrens (gewesen) ist. Das gilt sowohl für Nachforderungen als auch bei gleichbleibendem oder vermindertem Rechnungsbetrag. Das Krankenhaus verliert insoweit das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern. Eine Vergütungsforderung kann nicht auf neue - präkludierte - Daten gestützt werden. Denn Voraussetzung für die Fälligkeit des Nachforderungsanspruchs ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung, die nur vorliegt, wenn die betreffenden Daten noch (rechtmäßig) übermittelt werden durften. § 7 Abs 5 PrüfvV erfasst jedoch nur Änderungen des Teils des Datensatzes, der Prüfgegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens (gewesen) ist. Die Regelung schließt dagegen Datenänderungen nicht aus, die den nicht vom Prüfgegenstand erfassten Teil des Datensatzes betreffen. Mit nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV präkludierten Daten kann - soweit die Daten zutreffen - der Vergütungsanspruch innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV gebietet zudem eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts: Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn das Krankenhaus Daten nach § 301 SGB V gerade in Umsetzung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R> und 7 <B 1 KR 37/20 R> durften die Krankenhäuser ihre Schlussrechnungen daher jeweils ändern und weitere Vergütung von der Krankenkasse nachfordern. Im Fall 8 <B 1 KR 39/20 R> konnte der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.
7) 14.00 Uhr - B 1 KR 37/20 R - Kreiskliniken D. gGmbH ./. IKK classic
Die Revision der beklagten Krankenkasse hatte keinen Erfolg. Das LSG hat die Berufung der Krankenkasse gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Das Krankenhaus hat einen durchsetzbaren Anspruch auf weitere Krankenhausvergütung in Höhe von 2503,47 Euro. Die Nachforderung war nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen. Die Regelung erfordert zwar eine hier nicht erfolgte Änderung des Datensatzes vor Abschluss des Prüfverfahrens. Der Regelungszweck gebietet jedoch eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts: Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn das Krankenhaus Daten nach § 301 SGB V gerade in Umsetzung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. So lag es hier. Das Krankenhaus hat lediglich die vom MDK ermittelte Hauptdiagnose nach Abschluss des Prüfverfahrens übernommen.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/21.