Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 39/20 R

Krankenversicherung - MDK-Prüfverfahren - Krankenhausabrechnung - nachträgliche Korrektur

Verhandlungstermin 18.05.2021 14:00 Uhr

Terminvorschau

In den Fällen 3 bis 9 streiten die Beteiligten jeweils über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Streitig ist dabei, ob die Regelungen in § 7 Abs 2 Satz 4 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 1.9.2014 (PrüfvV 2014, Fälle 3 <B 1 KR 24/20 R > und 4 <B 1 KR 32/20 R>) sowie § 7 Abs 5 der PrüfvV 2014 (Fälle 6 <B 1 KR 34/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R>) und der PrüfvV 2016 (Fälle 5 <B 1 KR 33/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 9 <B 1 KR 42/20 R>) Vergütungsansprüche bzw Vergütungsnachforderungen ausschließen.

F. Krankenhaus N. GmbH ./. DAK-Gesundheit
Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der beklagten Krankenkasse Versicherten vollstationär vom 18.5. bis 14.6.2016 und berechnete hierfür zunächst 13199,47 Euro auf Grundlage der DRG B04D. Zu dieser DRG gelangte das Krankenhaus, indem es ua OPS 9-200.6 (Hochaufwendige Pflege von Erwachsenen, 130 bis 158 Aufwandspunkte) kodierte. Die Krankenkasse beglich die Rechnung und beauftragte den MDK mit der Überprüfung von OPS 9-200.6 und der Erforderlichkeit der Überschreitung der oberen Grenzverweildauer. Der MDK kam zum Ergebnis, dass OPS 9-200.5 (Hochaufwendige Pflege von Erwachsenen, 101 bis 129 Aufwandspunkte) anstelle von OPS-Kodes 9-200.6 zu kodieren sei; insoweit passte das Krankenhaus seine Kodierung noch während des Prüfverfahrens an. Weiterhin führte er aus, dass eine um sieben Tage kürzere Behandlung medizinisch möglich gewesen sei. Es ergebe sich anstelle der DRG B04D die DRG B39C. Daraufhin forderte die Krankenkasse vom Krankenhaus die Erstattung von 2558,69 Euro. Mit Schlussrechnung vom 29.3.2017 änderte das Krankenhaus seine ursprüngliche Abrechnung und berechnete auf der Grundlage der DRG B04B nunmehr insgesamt 12 733,02 Euro. Es kodierte hierfür neben OPS 9-200.5 zusätzlich bislang nicht kodierte Nebendiagnosen. Die Krankenkasse wies die korrigierte Rechnung unter Hinweis auf § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014 zurück und rechnete den gesamten gezahlten Rechnungsbetrag in Höhe von 13 199,47 Euro gegen unstreitige Forderungen des Krankenhauses auf.

Vor dem SG hat die Krankenkasse die Klageforderung in Höhe von 11 997,62 Euro teilweise anerkannt. Der auf Zahlung von 735,40 Euro nebst Zinsen geänderten Klage hat das SG stattgegeben. Das LSG hat die durch das SG zugelassene Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Der entstandene Anspruch auf die (weitere) Vergütung der stationären Behandlung in Höhe von 735,40 Euro sei weder verjährt noch verwirkt und auch nicht nach § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014 ausgeschlossen. Die Vorschrift regele keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.

Die beklagte Krankenkasse rügt mit ihrer Revision sinngemäß die Verletzung von § 17c Abs 2 KHG iVm § 7 Abs 5 PrüfvV 2014.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kiel - S 44 KR 308/17, 17.12.2018
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 5 KR 13/19, 26.08.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 19/21.

Terminbericht

Der Senat hat in den Verfahren 3 <B 1 KR 24/20 R>, 4 <B 1 KR 32/20 R>, 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 29/20 R> entschieden, dass sowohl § 7 Abs 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) - Fassung 2014 - als auch § 7 Abs 5 PrüfvV - Fassung 2014 und 2016 - jeweils eine materielle Präklusionsregelung enthalten. Die Regelungen sind durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Sie ermächtigt die Parteien der PrüfvV, an die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten im Prüfverfahren Rechtsfolgen zu knüpfen, die auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs betreffen.

In den Fällen 3 <B 1 KR 24/20 R> und 4 <B 1 KR 32/20 R> ist der Vergütungsanspruch des Krankenhauses jeweils nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Krankenhaus vom MDK angeforderte Unterlagen nicht (fristgerecht) vorgelegt hat. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV enthält keinen materiell-rechtlichen Ausschluss des Vergütungsanspruchs. Vielmehr darf danach der Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht mit Unterlagen begründet werden, die der MDK in einem ordnungsgemäßen Prüfverfahren angefordert hat, das Krankenhaus jedoch nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorlegt. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren endgültig ausgeschlossen.

In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R>, 7 <B 1 KR 37/20 R> und 8 <B 1 KR 39/20 R> waren die auf Änderungen der jeweiligen Datensätze gestützten Nachforderungen der klagenden Krankenhäuser nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen. Danach ist die Änderung des nach § 301 SGB V an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der dort geregelten Änderungsmöglichkeiten grundsätzlich unzulässig, soweit er Gegenstand des Prüfverfahrens (gewesen) ist. Das gilt sowohl für Nachforderungen als auch bei gleichbleibendem oder vermindertem Rechnungsbetrag. Das Krankenhaus verliert insoweit das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern. Eine Vergütungsforderung kann nicht auf neue - präkludierte - Daten gestützt werden. Denn Voraussetzung für die Fälligkeit des Nachforderungsanspruchs ist eine ordnungsgemäß korrigierte Abrechnung, die nur vorliegt, wenn die betreffenden Daten noch (rechtmäßig) übermittelt werden durften. § 7 Abs 5 PrüfvV erfasst jedoch nur Änderungen des Teils des Datensatzes, der Prüfgegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens (gewesen) ist. Die Regelung schließt dagegen Datenänderungen nicht aus, die den nicht vom Prüfgegenstand erfassten Teil des Datensatzes betreffen. Mit nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV präkludierten Daten kann - soweit die Daten zutreffen - der Vergütungsanspruch innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden. Der Regelungszweck des § 7 Abs 5 PrüfvV gebietet zudem eine teleologische Reduktion des zu weit gefassten Wortlauts: Die materielle Präklusion gilt nicht, wenn das Krankenhaus Daten nach § 301 SGB V gerade in Umsetzung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. In den Fällen 6 <B 1 KR 34/20 R> und 7 <B 1 KR 37/20 R> durften die Krankenhäuser ihre Schlussrechnungen daher jeweils ändern und weitere Vergütung von der Krankenkasse nachfordern. Im Fall 8 <B 1 KR 39/20 R> konnte der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

8) 14.00 Uhr - B 1 KR 39/20 R - F. Krankenhaus N. GmbH ./. DAK-Gesundheit

Die zulässige Revision der klagenden Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet. Der Senat kann aufgrund fehlender Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem klagenden Krankenhaus der Vergütungsanspruch auf die noch strittigen 735,40 Euro gegen die beklagte Krankenkasse zusteht. In der Sache hat das LSG jedoch zu Recht entschieden, dass die Nachforderung des Krankenhauses nicht nach § 7 Abs 5 PrüfvV ausgeschlossen ist.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/21.

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