Verhandlung B 12 KR 2/20 R
Krankenversicherung - Familienversicherung - Gesamteinkommen - deutsches Einkommensteuerrecht
Verhandlungstermin
29.06.2021 10:00 Uhr
Terminvorschau
T. D. ./. AOK Baden-Württemberg, beigeladen: 1. K. C. J., 2. T. A. J.
Die Klägerin lebt mit ihren beiden minderjährigen Kindern in Baden-Württemberg. Sie ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Dort beantragte sie die Aufnahme der beigeladenen Kinder in die Familienversicherung. Der Ehemann und Kindsvater wohnt in Singapur und ist in Deutschland nicht gesetzlich krankenversichert. Er verweigerte gegenüber der Klägerin und der Beklagten die Auskunft über seine in Singapur erzielten Einkünfte, weil diese nicht deutschem Steuerrecht unterfielen. Aus Vermietung und Verpachtung erzielt er laut deutschem Einkommensteuerbescheid lediglich jährliche Einkünfte in Höhe von rund 1000 Euro.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, wegen mangelnder Mitwirkung nicht über den Krankenversicherungsschutz der Kinder entscheiden zu können. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Familienversicherung sei wegen des nicht feststellbaren Gesamteinkommens des Ehemannes ausgeschlossen. Auch die in Singapur erzielten Einkünfte zählten zum Gesamteinkommen. Die Nichterweislichkeit des Sachverhalts gehe zu Lasten der Klägerin, die ihre Meldepflicht nach § 10 Abs 6 Satz 1 SGB V verletzt habe. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, was unternommen worden sei, um die erforderliche Auskunft von ihrem Ehemann zu erhalten.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 10 Abs 3 SGB V in Verbindung mit § 16 SGB IV sowie des § 106 Abs 1 SGG. Das die Familienversicherung ausschließende Gesamteinkommen bestimme sich nur nach den nach deutschem Steuerrecht ermittelten Einkünften. Überdies habe das LSG die Klägerin nicht darauf hingewiesen, ihre rechtlichen Möglichkeiten und Schritte zur Erlangung der notwendigen Auskünfte darzulegen.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Konstanz - S 12 KR 2546/17, 20.09.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 4062/18, 10.12.2019
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin hat zwar formal-rechtlich, nicht aber in der Sache Erfolg gehabt. Die Familienversicherung der beigeladenen Kinder der Klägerin ist ausgeschlossen. Zum berücksichtigungsfähigen Gesamteinkommen des Ehegatten zählt auch ausländisches Einkommen, das im Inland nicht zu versteuern ist. Mit der Ausschlussregelung des § 10 Abs 3 SGB V wird die Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vollzogen. Die soziale Schutzbedürftigkeit ist bei ausreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht gegeben. Der Gesetzgeber geht typisierend von einer Unterhaltsverpflichtung des Besserverdienenden aus. Dass das Einkommen des Ehegatten nicht im Inland versteuert wird, ändert daran nichts und rechtfertigt keine Privilegierung gegenüber Ehepaaren mit Steuerpflicht im Inland. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu Lasten der Klägerin ist nicht deshalb zu befürchten, weil die "Summe der Einkünfte" keine international vergleichbare Größe darstellt. Denn die Gleichbehandlung kann durch die Beklagte gesichert werden, indem sie die ausländischen Einkünfte so behandelt, als ob sie in Deutschland erzielt worden wären. Dass sich das Gesamteinkommen des Ehegatten nicht aufklären ließ, geht zu Lasten der Klägerin, denn § 10 SGB V weist die familieninternen Verhältnisse sowohl materiell-rechtlich (Abs 3) als auch verfahrensrechtlich (Abs 6) der Verantwortungssphäre der Klägerin zu.
Die von der Beklagten nach § 66 SGB I getroffene Versagungsentscheidung war aufzuheben. Dabei kann dahinstehen, ob diese Vorschrift in einem versicherungsrechtlichen Statusverfahren überhaupt anwendbar ist. Jedenfalls hat die Klägerin keine ihr obliegende Mitwirkungspflicht verletzt. Zwar umfasst die Meldepflicht des Mitglieds alle für die Durchführung der Familienversicherung notwendigen Angaben. Enthält ihm aber sein Ehegatte dessen ausländische Einkommensverhältnisse vor und verweigert er einer Preis- und Weitergabe seine Zustimmung, hat die Beklagte ohne Verzögerung eine Entscheidung in der Sache nach Beweislast zu treffen.
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