Verhandlung B 12 KR 33/19 R
Krankenversicherung - obligatorische Anschlussversicherung - Hilfe bei Krankheit - anderweitige Absicherung
Verhandlungstermin
29.06.2021 13:00 Uhr
Terminvorschau
S. B. ./. AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse, beigeladen: Pflegekasse bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland - Die Gesundheitskasse
Die Klägerin bezog ab 1.4.2016 Arbeitslosengeld II (Alg II) und war deshalb bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Die Leistung wurde nach Feststellung der vollen Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger zum 31.7.2016 eingestellt. Rückwirkend ab 1.6.2016 wurden ihr Leistungen nach dem SGB XII bewilligt. Auch die Klägerin des Verfahrens B 12 KR 35/19 R erhielt zunächst Alg II (1.8. bis 31.12.2016) und nach Feststellung der vollen Erwerbsminderung Leistungen nach dem SGB XII (ab 1.1.2017). Die beklagte Krankenkasse lehnte jeweils die Feststellung einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Zeit ab 1.8.2016/1.1.2017 ab. Für die freiwillige Versicherung nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V fehle es an den notwendigen Vorversicherungszeiten. Die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs 4 Satz 1 SGB V scheide wegen des nachgehenden Leistungsanspruchs gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V und der sich hieran anschließenden anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall durch den Bezug laufender Leistungen nach dem SGB XII aus. In den Vorinstanzen hat die Klägerin keinen Erfolg gehabt. Sie hätte mit der Vorlage des Bescheids über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Anschluss an einen Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V nachgewiesen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 188 Abs 4 Satz 3 SGB V. Leistungen der Krankenhilfe nach dem SGB XII seien mit denjenigen der GKV nicht vergleichbar und stellten im Zusammenhang mit der obligatorischen Anschlussversicherung keine nachgewiesene anderweitige Absicherung im Krankheitsfall dar. Zudem gelte der Grundsatz, dass Leistungen der Grundsicherung nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen seien. Schließlich seien die im Rahmen einer freiwilligen Versicherung in der GKV zu zahlenden Beiträge als sozialhilferechtlicher Bedarf gesetzlich anerkannt.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Trier - S 1 KR 204/17, 28.06.2018
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KR 208/18, 04.07.2019
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 27/21.
Terminbericht
Die Revisionen der Klägerinnen (B 12 KR 33/19 R und B 12 KR 35/19 R) haben keinen Erfolg gehabt. Einer freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs 1 SGB V steht jeweils das Fehlen notwendiger Vorversicherungszeiten entgegen. Eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung kam auch nicht über § 188 Abs 4 SGB V im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung zustande. Mit dem Ende der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II haben die Klägerinnen einen nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V für die Dauer von einem Monat erworben. Dieser besteht zwar nur subsidiär und wird gegebenenfalls durch einen Versicherungspflichttatbestand verdrängt. Ein anderes Versicherungsverhältnis kam während dieser Zeit aber nicht zu Stande.
Bereits während des Monatszeitraums und damit auch im Anschluss daran bestand für die Klägerinnen eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall durch den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII. Dies ergibt sich aus der Systementscheidung in § 5 Abs 8a Satz 1 und 2 SGB V, der auch im Zusammenhang mit der obligatorischen Anschlussversicherung heranzuziehen ist. Auch wenn diese Regelung ausdrücklich auf die Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Bezug nimmt, ist rechtssystematisch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hierdurch normübergreifend für Bezieher bestimmter Leistungen nach dem SGB XII das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall regeln wollte.
Eine anderweitige Absicherung ist auch von den Klägerinnen nachgewiesen worden. Sie haben die jeweiligen Bewilligungsbescheide der Sozialhilfeträger der Beklagten vorgelegt. Daher kann offen bleiben, ob ein aktiver Nachweis durch die Betroffenen erforderlich ist oder das objektive Bestehen einer anderweitigen Absicherung ausreicht.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 27/21.