Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 82/20 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bedarfe für Unterkunft - Konzept - Flächenlandkreis - verkehrstechnische Verbundenheit

Verhandlungstermin 05.08.2021 13:45 Uhr

Terminvorschau

1. E.K., 2. L.K., 3. F.K., 4. M.K. ./. Jobcenter Dithmarschen
Die Kläger (Mutter und ihre drei Kinder) bewohnen gemeinsam ein Haus im Kreis Dithmarschen, für das sie eine Bruttokaltmiete in Höhe von 700,00 Euro zu zahlen haben. Nachdem das beklagte Jobcenter die Kläger auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hingewiesen hatte, bewilligte es ihnen unter anderem für den streitigen Zeitraum (Februar bis Juli 2017) Grundsicherungsleistungen lediglich noch unter Anerkennung einer als angemessen angesehenen Bruttokaltmiete in Höhe von 487,04 Euro. Grundlage hierfür war ein vom Beklagten in Auftrag gegebenes Konzept zur Ermittlung der Unterkunftsbedarfe im Kreis Dithmarschen.

Das SG hat die auf Zahlung der tatsächlich zu entrichtenden Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Klagen abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern Leistungen unter anderem unter Anerkennung einer Bruttokaltmiete in Höhe von 577,50 Euro zu erbringen. Der Beklagte sei in seinem Konzept 2016 (in der Gestalt eines Korrekturberichts aus 2019) bei der Bestimmung der von ihm als angemessen angesehenen Bruttokaltmiete zu Unrecht von dem gesamten Kreisgebiet als Vergleichsraum ausgegangen. Mangels hinreichender Erschließung des Kreisgebietes durch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fehle es an der erforderlichen verkehrstechnischen Verbundenheit. Darüber hinaus seien der Erstellung des Konzepts veraltete Bestandsmieten zugrunde gelegt worden und es sei auch nicht ersichtlich, ob die Vermieterstruktur im Kreis hinreichend berücksichtigt worden sei. Da dem Beklagten auch keine Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben gewesen sei, sei wegen des Vorliegens eines Erkenntnisausfalls zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete auf die einschlägigen Werte des Wohngeldgesetzes zzgl eines Sicherheitszuschlages zurückzugreifen.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die verkehrstechnische Verbundenheit könne im Kreis Dithmarschen wegen eines niedrigen Verkehrsmarktanteils des ÖPNV und einer hohen Motorisierung der Bevölkerung nicht aufgrund der Erreichbarkeit des Kreisgebiets durch öffentliche Verkehrsmittel bestimmt werden. Auch im Übrigen sei das Konzept nicht zu beanstanden. Jedenfalls sei dessen Nachbesserung weiterhin möglich.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Itzehoe - S 4 AS 205/17, 29.01.2019
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 3 AS 94/19, 19.05.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 30/21.

Terminbericht

Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht darüber entscheiden, ob die Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum die vom LSG zugesprochenen höheren Ansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung haben. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Entscheidung des Beklagten, das gesamte Gebiet des Kreises Dithmarschen als einen Vergleichsraum seinem Konzept zugrunde zu legen, nicht die vom LSG festgestellte fehlende hinreichende Erreichbarkeit des Kreisgebiets durch den ÖPNV entgegen. Da der ÖPNV im Kreis Dithmarschen einen Verkehrsmarktanteil von unter drei Prozent hat, ist die alleinige Berücksichtigung des ÖPNV nicht geeignet, um die verkehrliche Verbundenheit im betroffenen Kreis wiederzugeben. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat auch nicht abschließend darüber befinden, ob das Konzept schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des BSG ist. Entgegen der Auffassung des LSG ist es zwar nicht zu beanstanden, dass dem Konzept nicht nur Bestandsmieten aus den letzten vier Jahren bezogen auf den Neuabschluss bzw die Änderung eines Mietvertrages zugrunde liegen, denn neben den Bestandsmieten sind auch Angebots- und Neuvertragsmieten bei der Erstellung des Konzepts erhoben und im Rahmen des sog iterativen (Annährungs-)Verfahrens berücksichtigt worden. Das LSG hat aber rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Repräsentativität der erhobenen Daten dadurch beeinträchtigt ist, dass sich aus dem Konzept 2016 (in der Gestalt des Korrekturberichts) nicht ergibt, dass es die Vermieterstruktur des Kreises Dithmarschen hinreichend wiedergibt. Allerdings hätte das LSG vor seiner Entscheidung dem Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung geben müssen. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 30/21.

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