Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 1/20 R

Unfallversicherung - Arbeitsunfall - teambildende Maßnahme - Fahrradtour - Erstattungsstreit

Verhandlungstermin 10.08.2021 12:00 Uhr

Terminvorschau

DAK-Gesundheit  ./.  Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr)
Die klagende Krankenkasse begehrt die Feststellung, dass die beklagte Berufsgenossenschaft die zuständige Versicherungsträgerin für die Entschädigung des Fahrradunfalls ist, den die Verletzte am 3.9.2014 erlitten hat. Die Verletzte ist bei der Klägerin krankenversichert. Sie war als Sachbearbeiterin bei einem Telekommunikationsunternehmen beschäftigt und nahm am 3.9.2014 mit den übrigen Beschäftigten ihrer Abteilung an einem Workshop ihres Arbeitgebers teil. Integriert in das Workshop-Programm war eine Radtour. Die Verletzte stürzte gegen 16.50 Uhr mit ihrem Fahrrad und erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 9.3.2015 gegenüber der Klägerin, das Ereignis werde nicht als Arbeitsunfall anerkannt, und lehnte es mit an die Verletzte gerichtetem bestandskräftigen Bescheid vom 24.6.2015 ab, den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Erstattung der für die Verletzte geleisteten und im einzelnen bezifferten Zahlungen für Krankengeld, stationäre Krankenhausbehandlung, Pflegeleistungen, ambulante Operationen, Heilmittel, Hilfsmittel und Fahrtkosten. Dies lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin hat Klage erhoben und zunächst begehrt, die Beklagte zu verpflichten, Kosten in Höhe von insgesamt 235.784,17 € zu erstatten. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin nur noch beantragt, festzustellen, dass die Beklagte die zuständige Versicherungsträgerin für die Entschädigung des Arbeitsunfalles der Verletzten vom 3.9.2014 sei. Das SG hat der Klage stattgegeben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte sei für die Entschädigung des Unfalls der Verletzten zuständig, weil die unfallbringende Tätigkeit im inneren sachlichen Zusammenhang mit der unfallversicherten Beschäftigung bei einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten gestanden habe. Der Arbeitgeber der Verletzten habe die Fahrradtour als den Zusammenhalt stärkende, kraft Arbeitsvertrag verpflichtende Maßnahme angesehen und sei von einer Teilnahmeverpflichtung der Beschäftigten ausgegangen. Ob eine solche Verpflichtung bestanden habe, könne dahinstehen, denn die Verletzte habe aufgrund der vom Arbeitgeber als bindend angesehenen Verpflichtung davon ausgehen können, dass sie eine arbeitsvertragliche Pflicht erfülle. Zumindest habe es sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und sinngemäß des § 55 SGG. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil sie gegenüber der zunächst erhobenen Leistungsklage subsidiär sei und das berechtigte Interesse der Klägerin an der lediglich das Verhältnis der Beklagten zur Verletzten betreffenden Feststellung fehle.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 36 U 328/16, 21.12.2017
Landessozialgericht Hamburg - L 2 U 6/18, 29.05.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/21.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das SG festgestellt, dass die Beklagte die zuständige Versicherungsträgerin für die "Entschädigung des Arbeitsunfalls" der Verletzten vom 03.09.2014 ist. An dieser Feststellung hat die Klägerin kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 55 Abs 1 Halbsatz 2 SGG, so dass ihre Feststellungsklage unzulässig ist. Es kann daher offenbleiben, ob sich die begehrte Feststellung auf § 55 Abs 1 Nr 1 SGG (Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses) oder auf § 55 Abs 1 Nr 2 SGG (Zuständigkeitsfeststellung) stützen ließe. Aufgrund des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 24.06.2014, den sie an die Verletzte gerichtet hat, steht in deren Rechtsverhältnis, das gerade Gegenstand der begehrten Feststellung ist, fest, dass kein Arbeitsunfall vorlag und deshalb eine entsprechende Leistungspflicht der Beklagten nicht in Betracht kommt.

Die Klägerin könnte zwar ihre Erstattungsansprüche mithilfe der vorrangigen Leistungsklage geltend machen und dabei - ohne jede Bindung an bestandskräftige Bescheide des Unfallversicherungsträgers im Erstattungsverhältnis - mittelbar klären lassen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und für welche Schäden die Beklagte eintritts- und erstattungspflichtig ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8 RdNr 11 mwN). Diesen Weg hatte die Klägerin zwar ursprünglich beschritten und begehrt, ihr Kosten in Höhe von insgesamt 235.784,17 Euro zu erstatten. Dieses Erstattungsverhältnis betrifft die begehrte Feststellung jedoch gerade nicht.

Der Senat konnte die Klage als unzulässig abweisen. Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht, weil sich dadurch die verfahrensrechtliche Position der Klägerin nach Rücknahme ihrer Zahlungsklage nicht verbessern würde.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/21.

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