Verhandlung B 9 V 3/21 R
Soziales Entschädigungsrecht - Versorgungsleistungen - strafrechtliche Rehabilitierung - Häftlingshilfe - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler
Verhandlungstermin
30.09.2021 10:00 Uhr
Terminvorschau
E.-M. P. ./. Land Baden-Württemberg
Die Klägerin begehrt höhere Entschädigungsleistungen wegen der Folgen rechtsstaatswidriger Maßnahmen der DDR.
Die 1947 geborene Klägerin erwarb in der DDR einen Abschluss als Diplomjuristin. Anschließend war sie im richterlichen Vorbereitungsdienst als Richterassistentin an einem Kreisgericht tätig, wurde aber nicht als Richterin übernommen. 1977 reiste sie in die Bundesrepublik aus.
Bei der Klägerin ist die Rechtsstaatswidrigkeit verschiedener gegen sie ergangener Zersetzungsmaßnahmen der DDR-Behörden nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz festgestellt. Zudem ist ein mehrtägiger Freiheitsentzug und ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen in der Zeit von 12.11.1976 bis 28.10.1977 im Sinne des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt.
Das beklagte Land hat deshalb bei ihr als Schädigungsfolgen "psychoreaktive Störungen" festgestellt und zahlt der Klägerin seit 1996 Entschädigungsleistungen, insbesondere eine Grundrente nach einem GdS von zuletzt 60 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und einen Berufsschadensausgleich. Das von der Klägerin gegen die Bezeichnung der Schädigungsfolgen sowie Beginn und Höhe der Entschädigungsleistungen angestrengte Klageverfahren ist in der Sache weitgehend ohne Erfolg geblieben. Insbesondere hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folgen rechtsstaatswidriger Maßnahmen der DDR sowie auf Gewährung zeitlich früherer, höherer und zusätzlicher Versorgungsleistungen verneint.
Mit ihrer erneuten Klage begehrt die Klägerin wiederum die rückwirkende Gewährung von Entschädigungsleistungen nach einem höheren GdS auf der Grundlage des Häftlingshilfegesetzes und des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes jeweils iVm dem Bundesversorgungsgesetz.
Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig angesehen, weil es an dem erforderlichen Vorverfahren fehle und im Übrigen über die geltend gemachten Ansprüche rechtskräftig entschieden sei. Nach Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung wegen einer Gehörsverletzung hat das Berufungsgericht wie zuvor erkannt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das LSG habe erneut verfahrensfehlerhaft gehandelt und zudem materielles Recht verletzt. Die Vorinstanzen hätten ihre Klage nicht als unzulässig ansehen dürfen. Sie hätten in der Sache bis heute nicht über ihren Anspruch auf rückwirkende und höhere Versorgungsleistungen entschieden. Außerdem habe das LSG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und seine Pflicht zur Amtsermittlung verletzt sowie die Beweise falsch gewürdigt.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Reutlingen - S 6 VH 1575/15, 01.02.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VU 3716/19 ZVW, 27.05.2020
Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/21.
Terminbericht
Die Revision der Klägerin war erfolglos. Das BSG hat die Revision als unzulässig verworfen, weil sie zum Teil durch neue Anträge nach § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderungen enthielt und ansonsten die Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG verfehlt hat. Dies gilt insbesondere für die zentrale Rüge der Klägerin, die Vorinstanzen hätten ihre Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen, sondern über ihre Ansprüche in der Sache entscheiden müssen. In dieser Hinsicht hat die Klägerin entgegen § 164 Abs 2 Satz 3 SGG aber bereits keine Tatsachen bezeichnet, die den behaupteten Verfahrensmangel eines unstatthaften Prozessurteils ergeben könnten. Ebenso wenig hat die Klägerin, wie es erforderlich gewesen wäre, diesen Verfahrensmangel in rechtlicher Hinsicht substantiiert in Auseinandersetzung mit dem Gedankengang des Berufungsgerichts aufgezeigt.
Ebenfalls bereits an der Bezeichnung der erforderlichen Tatsachen fehlt es in der Revisionsbegründung hinsichtlich der darüber hinaus erhobenen Rügen mangelnder Sachaufklärung, falscher Beweiswürdigung sowie der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Schließlich verfehlen auch die Sachrügen der Klägerin die Begründungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, weil sie das erforderliche Mindestmaß an zielgerichtetem und geordneten rechtlichen Vortrag vermissen lassen.
Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/21.