Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 1/21 R

Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - Urlaubs- und Krankheitsvertretung - externer Vertretungsarzt

Verhandlungstermin 19.10.2021 14:15 Uhr

Terminvorschau

1. T., W. und D. Gemeinschaftspraxis, 2. H. ./. DRV Bund, 1 Beigeladene
Die Klägerin zu 1. ist eine gastroenterologische Gemeinschaftspraxis. Die Klägerin zu 2. ist als Oberärztin in einem Krankenhaus angestellt. Nach Absprache im Einzelfall übernahm sie die Vertretung eines Arztes der Gemeinschaftspraxis wegen Urlaubs oder Krankheit. Sie führte ua endoskopische Untersuchungen durch, schrieb Befundberichte und gab Therapieempfehlungen. Sie erhielt eine Vergütung je Einsatzstunde.

Die beklagte DRV Bund stellte fest, dass die Klägerin zu 2. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Das SG hat die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und festgestellt, dass die Vertretungstätigkeit nicht als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt werde. Die Klägerin zu 2. habe bei den Untersuchungen keinerlei Weisungen, sondern lediglich fachspezifischen Standards unterlegen.

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 7 Abs 1 SGB IV. Die Klägerin zu 2. sei weisungsgebunden in eine fremde Praxisorganisation eingebunden und deshalb abhängig beschäftigt gewesen. Sie habe Räumlichkeiten, Geräte und Personal der Gemeinschaftspraxis genutzt sowie ihr zugewiesene Patienten behandelt. Auch aus der Stellung als Arztvertreterin folge keine Selbstständigkeit, weil die Klägerin zu 2. keine Arbeitgeberfunktion an Stelle eines Praxisinhabers wahrgenommen habe.

Vorinstanz:
Sozialgericht Frankfurt am Main - S 20 R 97/16, 02.11.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 37/21.

Terminbericht

Die Sprungrevision der Beklagten ist erfolgreich gewesen. Die Klägerin zu 2. erbrachte ihre ärztliche Vertretungstätigkeit in der zu 1. klagenden Gemeinschaftspraxis im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beurteilung richtet sich nach den zu Fall 1) - B 12 KR 29/19 R - dargestellten Maßstäben. Die Ärztin war insbesondere hinsichtlich der Zuweisung bestimmter Patienten weisungsgebunden. Aufgrund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit dem Praxispersonal und der kostenfreien Nutzung von Einrichtungen und Mitteln der Gemeinschaftspraxis war sie in deren Arbeitsabläufe eingegliedert. Das ausschließliche Tätigwerden in einer Vertretungssituation ändert daran nichts. Der Eingliederung in einen fremden "Arztbetrieb" kann es zwar entgegenstehen, wenn ein Arztvertreter für die Dauer seiner Tätigkeit die Stelle des Praxisinhabers einnimmt und zeitweilig selbst dessen Arbeitgeberfunktionen erfüllt. Das war hier aber nicht der Fall. Die Klägerin zu 2. hat lediglich die ärztlichen Leistungen vertretungsweise erbracht und keine Vertretung in der Rechtsstellung der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis geleistet. Ob mit der gewählten Ausgestaltung der ärztlichen Vertretung berufszulassungsrechtlichen Anforderungen Genüge getan wird, ist für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als Beschäftigung unerheblich.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 37/21.

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