Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 11/20 R

Rentenversicherung - Altersrente für besonders langjährig Versicherte - Wartezeiterfüllung - anrechenbare Zeiten - Arbeitslosengeldbezug - Insolvenz - Transfergesellschaft

Verhandlungstermin 21.10.2021 10:30 Uhr

Terminvorschau

H. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Der Kläger ist der Ehemann und Rechtsnachfolger der 2018 verstorbenen Versicherten, die bis Juli 2012 bei der B. GmbH beschäftigt war. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen schloss sie mit dem Insolvenzverwalter und der R. GmbH als Transfergesellschaft einen dreiseitigen Vertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis mit der B. GmbH zum Juli 2012. Gleichzeitig wurde ein von August 2012 bis Februar 2013 befristetes Beschäftigungsverhältnis mit der R. GmbH vereinbart. Im Anschluss bezog die Versicherte bis Februar 2015 Arbeitslosengeld (Alg).

Die Beklagte bewilligte der Versicherten ab dem 1.10.2015 Altersrente für langjährig Versicherte mit gemindertem Zugangsfaktor. Den Antrag auf Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte lehnte sie ab, weil die erforderliche Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis September 2015 nur 529 anrechenbare Wartezeitmonate. Die Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn könnten nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, weil der Alg-Bezug nicht durch eine Insolvenz bedingt gewesen sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat auf die Berufung der Versicherten das Urteil des SG sowie den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1.10.2015 Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der Versicherung der verstorbenen Ehefrau zu zahlen. Die Zeit des Alg-Bezugs von März 2013 bis Februar 2015 sei bei der Wartezeit für diese Rente von 45 Jahren zu berücksichtigen. Zwar sei das Beschäftigungs-verhältnis mit der Transfergesellschaft nicht durch Insolvenz, sondern aufgrund des Fristablaufs beendet worden. Ursächlich für den Wechsel in die Transfergesellschaft und damit auch für den Bezug von Alg sei jedoch die Insolvenz des vorhergehenden Arbeitgebers gewesen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Teilsatz 3 SGB VI. Bei der Frage, ob der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz bedingt sei, sei stets auf den letzten Arbeitgeber - hier die Transfergesellschaft - abzustellen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Gotha - S 19 R 4934/15, 20.02.2017
Thüringer Landessozialgericht - L 12 R 304/17, 20.05.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 36/21.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass ein Anspruch auf eine Rente für besonders langjährig Versicherte bestand.

Die Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs der Versicherten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn waren auf die 45jährige Wartezeit nach § 51 Abs 3a Satz 1 SGB VI anzurechnen. Der Bezug der Leistungen war durch eine Insolvenz des Arbeitgebers bedingt. Unmittelbar vor dem Arbeitslosengeldbezug stand die Versicherte zwar in einem Arbeitsverhältnis mit einer Transfergesellschaft. Die formale Begründung dieses neuen Arbeitsverhältnisses ließ bei wertender Betrachtung den erforderlichen Kausalzusammenhang mit der Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers aber nicht entfallen. Das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft wurde gerade in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Insolvenz des früheren Arbeitgebers begründet. In einem dreiseitigen Vertrag zwischen Insolvenzverwalter, Arbeitnehmer und Transfergesellschaft war das ursprüngliche Arbeitsverhältnis beendet und ein neues mit der Transfergesellschaft begründet worden. Dieses Zusammenwirken entspricht der Struktur des Gesetzes, wonach der bisherige Arbeitgeber in die Maßnahmen der Transfergesellschaft in verschiedener Hinsicht eingebunden ist. Transfergesellschaften haben nach dem SGB III die Funktion, den Eintritt von Arbeitslosigkeit bei Beschäftigten zu vermeiden, deren Arbeitsplätze infolge betrieblicher Umstrukturierungen wegfallen. Die Beschäftigten sollen in der Transfergesellschaft weiterqualifiziert und in reguläre Arbeitsverhältnisse vermittelt werden. Insofern wird mit dem Instrument der Transfergesellschaft die gleiche Intention verfolgt wie mit der Ausschlussvorschrift des § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 2 SGB VI, nämlich Frühverrentungen zu verhindern. Das sich an den Bezug von Transferkurzarbeitergeld anschließende Arbeitslosengeld ist als Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung ebenso wie das Transferkurzarbeitergeld selbst durch die Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers bedingt.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 36/21.

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