Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 23/21 R

Rentenversicherung - Anrechnungszeiten - Berufsgrundschuljahr - 17. Lebensjahr

Verhandlungstermin 21.10.2021 14:00 Uhr

Terminvorschau

K. H. ./. Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Berufsgrundschuljahrs im Versicherungsverlauf des Klägers.

Der heute 55 Jahre alte Kläger absolvierte vor Vollendung seines 17. Lebensjahrs ein Berufsgrundschuljahr im Berufsfeld "Bautechnik" an einer staatlichen Berufsschule. Das Berufsgrundschuljahr wurde auf die Zeit der anschließenden betrieblichen Berufsausbildung zum Betonbauer angerechnet, die sich hierdurch auf knapp zwei Jahre verkürzte.

Der beklagte Rentenversicherungsträger führte 2016 ein Kontenklärungsverfahren durch, in dem der Kläger angab, während des Berufsgrundschuljahrs Ausbildungsförderung nach dem BAföG bezogen zu haben. Die Beklagte stellte die im Versicherungsverlauf des Klägers bis Ende 2009 enthaltenen Daten durch Bescheid vom 16.6.2016 verbindlich fest. Die Zeiten der betrieblichen Ausbildung merkte sie als Pflichtbeitragszeiten wegen beruflicher Ausbildung vor. Die Vormerkung der Zeiten des Berufsgrundschuljahrbesuchs lehnte sie ab.

Das SG hat die gegen den Vormerkungsbescheid gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dieser könne keine Berücksichtigung der Zeiten des Berufsgrundschuljahrbesuchs als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI verlangen. Die Vorschrift erfasse nur Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahrs. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Eine Anerkennung der Zeiten als Beitragszeiten habe der Kläger nicht begehrt. Dies komme auch nicht in Betracht, weil durch den Berufsgrundschuljahrbesuch keiner der in § 1 Satz 1 SGB VI geregelten Versicherungspflichttatbestände verwirklicht worden sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger ua einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Das Berufsgrundschuljahr sei integraler Bestandteil seiner Ausbildung gewesen. Wenn sein Versicherungsverlauf dies weder über die Beitragszeiten noch über die Anrechnungszeiten abbilde, werde er ungerechtfertigt benachteiligt gegenüber Absolventen einer dreijährigen betrieblichen Ausbildung. Bei diesen würden unabhängig vom Lebensalter drei Jahre Pflichtbeitragszeiten anerkannt.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Karlsruhe - S 9 R 4573/16, 29.08.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 R 4329/17, 19.07.2018

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Terminbericht

Die Revision ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger während des Berufsgrundschuljahrs zurückgelegte Zeit von September 1981 bis Juli 1982 nicht als rentenrechtliche Zeit vorzumerken ist.

Eine Vormerkung als Anrechnungszeit wegen einer schulischen Ausbildung nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI scheidet aus, weil der Kläger während des Schulbesuchs das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die Beschränkung von Anrechnungszeiten auf Zeiten ab Vollendung des 17. Lebensjahrs ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Auch eine Anerkennung als Beitragszeit kommt nicht in Betracht. Der Kläger stand während des Besuchs des Berufsgrundschuljahrs weder in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 SGB IV noch in einer betrieblichen Berufsausbildung. Dementsprechend wurden für die streitbefangene Zeit auch keine Beiträge zur GRV entrichtet. Aus § 1 Satz 5 Nr 1 SGB VI kann der Kläger nichts für sich herleiten. Diese Vorschrift bezieht ausnahmsweise Auszubildende in außerbetrieblichen Einrichtungen im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in die Versicherungspflicht ein. Der Sonderregelung bedurfte es deshalb, weil Berufsausbildungen grundsätzlich nur dann als versicherungspflichtige Beschäftigung gelten, wenn sie in einem Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis betriebsgebunden durchgeführt werden. Die Vorschrift des § 1 Satz 5 Nr 1 SGB VI zielt auf die besondere Förderung lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Auszubildender in außerbetrieblichen Einrichtungen. Eine vergleichbare Situation besteht beim Besuch eines Berufsgrundschuljahrs nicht.

Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Der Kläger wird nicht gegenüber Auszubildenden, die eine dreijährige betriebliche Ausbildung absolviert haben, ungerechtfertigt benachteiligt. Letztere sind während der gesamten Dauer der Ausbildung in den Ausbildungsbetrieb eingegliedert. Aufgrund dessen werden für sie auch drei Jahre lang Beiträge zur GRV entrichtet. Die vom Kläger absolvierte Schulzeit ist hiermit nicht vergleichbar. Das belegt nicht zuletzt der Umstand, dass er für die Zeit des Schulbesuchs Ausbildungsförderung nach dem BAföG bezog.

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