Verhandlung B 11 AL 8/20 R
Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosengeldanspruch - Versicherungspflichtverhältnis - Beschäftigung - Fortsetzungswille
Verhandlungstermin
03.11.2021 10:00 Uhr
Terminvorschau
A. A. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin war vom 8.2.2017 bis 24.11.2018, also vor ihrem Antrag auf Alg im Dezember 2018, mit Unterbrechungen zumindest insgesamt 340 Tage versicherungspflichtig beschäftigt. Zu der zum 18.6.2018 aufgenommenen und ab 30.7.2018 tatsächlich nicht mehr ausgeübten Tätigkeit in einer Spielhalle schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber einen arbeitsgerichtlichen Vergleich. Dieser sah ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2018 und Vergütungsansprüche nur noch für August, nicht jedoch für September 2018, vor. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit von 360 Tagen ab.
Das SG hat die Beklagte zur Erbringung von Alg verurteilt. Unter Berücksichtigung von § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV habe eine versicherungspflichtige Beschäftigung auch im September 2018 vorgelegen. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich und den Lohnabrechnungen des Arbeitgebers für August/September 2018 folge, dass die Klägerin nur bis Ende August 2018 gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV erfasse nur Fallgestaltungen, bei denen Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung vorübergehend nicht entstünden. Eine solche Unterbrechung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses liege nicht vor.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 24 Abs 1 und 4 SGB III sowie § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV. Durch Verzicht auf sein Direktionsrecht könne ein Arbeitgeber nicht einseitig die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinne bewirken. Der Wortlaut des § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV lasse nicht erkennen, dass Voraussetzung für dessen Anwendung eine Unterbrechung von fortbestehenden Arbeitsverhältnissen sein solle. Dies gelte jedenfalls, wenn wie vorliegend erst durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich nachträglich die Festlegung des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses erfolge.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Kassel - S 3 AL 54/19, 03.06.20219
Hessisches Landessozialgericht - L 7 AL 59/19, 13.11.2020
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg ist nicht erfüllt. Zwar kann auch ohne eine tatsächliche Beschäftigung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bis zum regulären Ende des Arbeitsverhältnisses vorliegen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt bis zu diesem Zeitpunkt fortzahlt bzw zumindest ein Anspruch hierauf besteht. Jedoch liegt keine der beiden Alternativen vor. Unter Auswertung der Inhalte des arbeitsgerichtlichen Vergleichs und der Lohnabrechnungen des vormaligen Arbeitgebers ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin nur bis Ende August 2018 gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei und ein Anspruch auf Entgelt nur noch für diesen Monat bestanden habe. Dies begegnet keinen Bedenken. Für die Frage der Versicherungspflicht ist nicht (nur) auf die Lage am tatsächlichen Ende der Beschäftigung, sondern ggfs auf den Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abzustellen. Auch aus der Fiktion des § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV folgt nicht, dass der Monat September 2018 als Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Entgelt zu berücksichtigen ist. Die in § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV aufgenommenen Begrifflichkeiten eines "Fortbestehens" bzw einer "Fortdauer" des Beschäftigungsverhältnisses erfassen nur Fallgestaltungen, in denen die Rechtsbeziehungen grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben. Aus der Gesetzgebungshistorie, dem Sinn sowie dem Regelungszweck des § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV ergibt sich, dass entgeltlose Zeiten eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt unterbrechen müssen, die versicherungspflichtige entgeltliche Beschäftigung also im Anschluss fortgesetzt wird.
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