Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 13/20 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Versorgungsauftrag - Dialyseleistungen

Verhandlungstermin 04.11.2021 13:00 Uhr

Terminvorschau

MVZ D. ./. Kassenärztliche Vereinigung Saarland, 7 Beigeladene
Die Verfahren B 6 KA 13/20 R und B 6 KA 14/20 R betreffen besondere Versorgungsaufträge für die Erbringung von Dialyseleistungen an gesetzlich Krankenversicherte.

Die Klägerin betreibt ein MVZ mit Sitz in N., das Dialyseleistungen für gesetzlich Krankenversicherte (ua als Limited-Care-Dialyse) erbringt. In derselben Stadt erbrachte die BAG der Dres. S. und B. in geringer Entfernung ebenfalls Limited-Care-Dialysen in einer ausgelagerten Praxisstätte. Der Hauptsitz dieser BAG, die über zwei besondere Versorgungsaufträge verfügte, befand sich in H. knapp 9 km Luftlinie von der Praxis der Klägerin entfernt.

Im Jahr 2011 teilte Dr. S. der Beklagten mit, dass er die BAG verlasse und beantragte die Verlegung seines Vertragsarztsitzes nach I. Mit Schreiben vom 18.8.2011 beantragten Dres. B. und S. außerdem die Verlängerung der Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. und teilten der Beklagten mit, dass Dr. S. die Versorgung der Patienten in dieser ausgelagerten Praxisstätte übernehmen werde. Darauf erteilte die Beklagte Dr. S. einen Versorgungsauftrag für seine neue Dialysepraxis in I.

Gegen die dem Dr. S. erteilte Genehmigung für die "Mitnahme" seines Versorgungsauftrags nach I. ging die Klägerin erfolgreich vor (Urteil des Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 20/16 R). Die auf Unterlassung des Betriebs der Nebenbetriebsstätte in I. gerichtete Klage gegen Dr. S. war im Ergebnis erfolglos; Rechtsschutz nach dem UWG sei in der vorliegenden Konstellation ausgeschlossen. Daraus folgten keine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Rechtsschutzdefizite, weil die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, gegenüber der KÄV mit der Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung durch Dr. S. in I. geltend zu machen. Allerdings sei mit der Aufhebung der Genehmigung für die Praxis des Dr. S. in I. auch die Grundlage für den Betrieb von dessen ausgelagerter Praxisstätte in N. entfallen (Urteil des Senats vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R).

Die beklagte KÄV vertrat gegenüber der Klägerin die Auffassung, dass nach dem Ergebnis der beiden og Verfahren zu den Az B 6 KA 20/16 R und B 6 KA 35/16 R und der gescheiterten Mitnahme des Versorgungsauftrags durch Dr. S. sowohl dieser Versorgungsauftrag als auch die Genehmigung zum Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in N. bei der ursprünglich aus Dr. B. und Dr. S. bestehenden BAG in H. bzw dem dort inzwischen von der Beigeladenen zu 1. betriebenen MVZ verblieben sei.

Dagegen hat sich die Klägerin mit zwei Klagen gewandt:

Mit einer Klage (Gegenstand des Verfahrens B 6 KA 13/20 R) hat sie die Feststellung begehrt, dass der Versorgungsauftrag, den Dr. S. nach I. "mitnehmen" wollte, auch nicht der BAG in H. bzw dem dort von der Beigeladenen zu 1. betriebenen MVZ zuzuordnen, sondern entfallen sei. Hilfsweise hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Zahl der Versorgungsaufträge des MVZ anzupassen. Diese Klage hat das SG im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Versorgungsauftrag in der BAG bzw dem zu 1. beigeladenen MVZ verblieben sei, nachdem Dr. S. diesen nicht nach I. habe mitnehmen können. Die BAG und auch die Beigeladene zu 1. hätte darauf nicht verzichtet und die Genehmigung dieses Versorgungsauftrags habe sich auch nicht anderweitig erledigt. Mit der Sprungrevision macht die Klägerin geltend, dass die vormalige BAG Dres. B. und S. auf den Versorgungsauftrag in H. zugunsten der neuen Praxis des Dr. S. in I. verzichtet hätten. Zudem habe sich die Genehmigung dadurch erledigt, dass die Beigeladene zu 1. den Versorgungsauftrag jahrelang nicht wahrgenommen und auch den dafür erforderlichen Dialysearzt nicht vorgehalten habe. Jedenfalls müsse die Beklagte die Zahl der Versorgungsaufträge anpassen, weil die zu ihrer Erfüllung erforderlichen Ärzte über längere Zeit nicht nachgewiesen worden seien.

Mit der weiteren Klage (Gegenstand des Verfahrens B 6 KA 14/20 R) hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beigeladene zu 1. nicht über die erforderliche Genehmigung für die Behandlung gesetzlich Versicherter in der ausgelagerten Praxisstätte in N. verfügt. Das SG hat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die aus Dr. B. und Dr. S. bestehende BAG mit Standort in H. mit dem Schreiben vom 18.8.2011 auf die ihr erteilte Genehmigung für diese Praxisstätte verzichtet habe. Dagegen wenden sich sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene zu 1. mit ihren Revisionen.

Vorinstanz:
Sozialgericht für das Saarland - S 2 KA 46/17, 22.07.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 39/21.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin, die ein MVZ betreibt, bleibt erfolglos.

Die Klägerin ist berechtigt, im Wege einer Feststellungsklage gegen die beklagte KÄV klären zu lassen, ob der Versorgungsauftrag nach der gescheiterten "Mitnahme" nach I. bei der Beigeladenen zu 1. verblieben oder weggefallen ist. Im Hinblick auf die Besonderheiten der Zuteilung von Versorgungsaufträgen für Dialyse und die in der Dialyse-Vereinbarung vorgenommene Bedarfsplanung kommt hier dem Konkurrenzschutz im Wettbewerb miteinander stehender Anbieter im selben regionalen Umfeld eine größere Reichweite als im allgemeinen Bedarfsplanungsrecht zu. Entsprechend der Anfechtungsberechtigung für eine defensive Konkurrentenklage steht der Klägerin hier die erforderliche Feststellungsberechtigung zu.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der Versorgungsauftrag der Beigeladenen zu 1. hat sich nicht erledigt und auf ihn wurde auch nicht wirksam verzichtet. Soweit die Klägerin mit dem Hilfsantrag die Feststellung begehrt, dass die beklagte KÄV verpflichtet ist, der Beigeladenen zu 1. einen Versorgungsantrag zu entziehen, fehlt der Klägerin bereits die Berechtigung, von der KÄV zu verlangen, einen Versorgungsauftrag, den der Konkurrent tatsächlich oder vermeintlich nicht (vollständig) ausfüllt, diesem gegenüber zu widerrufen oder zu entziehen. Insoweit kommt es auf die materielle Rechtslage nicht an.

Die KÄV ist zwar nach § 5 Abs 7 Buchstabe c Qualitätssicherungsvereinbarung Blutreinigung verpflichtet die Zahl der Versorgungsaufträge "anzupassen", wenn ein Dialysearzt aus der Praxis ausscheidet und die Nachbesetzung der Stelle nicht innerhalb von sechs Monaten nachgewiesen wird. Diese Anpassungspflicht obliegt der KÄV im Hinblick auf die Sicherung der Qualität der Versorgung und eine ausgewogene Planung der Standorte. Sie hat jedoch keinen drittschützenden Charakter zu Gunsten konkurrierender Anbieter.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 39/21.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK