Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 43/20 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - SMD-Prüfverfahren - Unterlagenanforderung - materiell-rechtliche Ausschlussfrist

Verhandlungstermin 10.11.2021 14:00 Uhr

Terminvorschau

Universitätsklinikum Bonn ./. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Das klagende Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten KK vom 8.2. bis 26.3.2015 nach intensivstationärer Übernahme stationär und rechnete hierfür mit drei Teilrechnungen insgesamt 411 572,56 Euro ab. Die KK zahlte lediglich einen Teilbetrag iHv 7922,23 Euro und beauftragte den SMD mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Sie zeigte dem Krankenhaus die Prüfung mit Schreiben vom 23.4.2015 unter Hinweis auf eine beabsichtigte Vollprüfung betreffend Hauptdiagnose, Fehlbelegung sowie der Zusatzentgelte und nachfolgend mit weiteren Schreiben vom 24.4.2015 und vom 27.4.2015, letztere jeweils Bezug nehmend auf das erstere Schreiben, an. Der SMD erbat beim Krankenhaus mit per Telefax übersandtem Schreiben vom 23.4.2015 unter Anzeige des Prüfverfahrens die Übersendung im Einzelnen aufgezählter Unterlagen. Das Krankenhaus übersandte die erbetenen Unterlagen mit Schreiben vom 20.5.2015, das ausweislich des Eingangsstempels des SMD dort am 28.5.2015 einging. Die KK verweigerte daraufhin unter Hinweis auf die Versäumung der Vier-Wochen-Frist zur Unterlagenübersendung weitere Zahlungen.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG geändert und die KK zur Zahlung von 401 714,64 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Krankenhaus stehe der - der Höhe nach zwischen den Beteiligten zuletzt unstreitige - Vergütungsanspruch gegen die KK zu. Dieser sei nicht nach § 7 Abs 2 Satz 4 der auf der Grundlage des § 17c Abs 2 KHG geschlossenen PrüfvV 2014 auf den "unstrittigen Rechnungsbetrag" beschränkt. Es sei zwar davon auszugehen, dass die vom SMD konkret bezeichnet angeforderten Unterlagen diesem nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang von deren Anforderung übermittelt worden seien. Ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht komme oder die prozessuale Fristen betreffende Rechtsprechung zum Vertrauen in für den Normalfall geltende Postlaufzeiten auf die Einhaltung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen übertragbar sei, könne dahinstehen. Denn das Krankenhaus könne zum Zeitpunkt der Absendung der fraglichen Unterlagen weder substantiiert vortragen noch eine rechtzeitige Absendung belegen. Dies sei jedoch unerheblich, weil § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist enthalte. Hierfür hätte es auch mit Blick auf die unverhältnismäßigen Folgen einer eindeutigen Regelung bedurft.

Die KK rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 7 Abs 2 PrüfvV 2014.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Köln - S 23 KN 108/15 KR, 04.05.2016
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 395/16, 09.07.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 42/21.

Terminbericht

Die Revision der beklagten KK hatte im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg. Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob dem Krankenhaus der geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch zusteht. Wie der Senat bereits entschieden hat, regelt § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 eine materielle Präklusion. Deren Voraussetzungen liegen nach den bindenden Feststellungen des LSG hier vor. § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 ist zeitlich und auch sachlich anwendbar, soweit der Prüfauftrag der KK auf eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung gerichtet war. Dass der auf eine "Vollprüfung" gerichtete Prüfauftrag auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung umfasste, schließt die Anwendbarkeit der PrüfvV 2014 im Jahr 2015 nicht insgesamt aus, sondern nur insoweit, als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung betroffen ist. Es ist nicht feststellbar, dass das Krankenhaus dem SMD die angeforderten Unterlagen fristgerecht übermittelt hat. Die Unerweislichkeit geht zulasten des Krankenhauses. Zutreffend ist das LSG dabei davon ausgegangen, dass es für die Fristwahrung bei der hier erfolgten postalischen Übersendung auf den Zugang der Unterlagen beim SMD ankommt. § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 ist zwar verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Präklusionswirkung nicht eintritt, wenn das Krankenhaus die Versäumung der Frist zur Vorlage der Unterlagen nicht zu vertreten hat. Dies ist vorliegend aber jedenfalls nicht nachweisbar. Zwar kann sich der Bürger in Fristsachen grundsätzlich auf die üblichen Postlaufzeiten verlassen. Allerdings konnte das Krankenhaus nach den vom LSG getroffenen Feststellungen weder zum Zeitpunkt der Absendung der fraglichen Unterlagen substantiiert vortragen noch eine - ausgehend von "normalen" Postlaufzeiten - rechtzeitige Absendung belegen. Die Unerweislichkeit geht auch insoweit zulasten des Krankenhauses. Das LSG muss nunmehr feststellen, ob und ggf in welcher Höhe sich der streitige Vergütungsanspruch unter Außerachtlassung der präkludierten Unterlagen nachweisen lässt.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 42/21.

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