Verhandlung B 12 R 20/19 R
Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer - GmbH - Rechtsmacht - Befreiung - Weisung - Gesellschafterversammlung
Verhandlungstermin
01.02.2022 14:00 Uhr
Terminvorschau
1. M. R., 2. M. O., 3. M. S. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. F. P. GmbH, 2. Bundesagentur für Arbeit
Die klagenden Geschäftsführer der beigeladenen GmbH halten je ein Drittel der Gesellschaftsanteile. Ihnen war im Gesellschaftsvertrag jeweils ein Sonderrecht zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführung eingeräumt. Gesellschafterbeschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Daneben regelt der Gesellschaftsvertrag die Bestellung eines aus einem Mitglied bestehenden Aufsichtsrats, der berechtigt ist, die Geschäftsführer oder einzelne von ihnen durch Beschluss oder Vereinbarungen im Anstellungsvertrag von der gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit zu befreien sowie eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer festzulegen. Der Aufsichtsrat der beigeladenen GmbH schloss mit den Klägern zum 1.8.2015 gleichlautende Geschäftsführer‑Dienstverträge, wonach sie "frei von Gesellschafterweisungen" handeln. Die von ihm erlassene Geschäftsordnung sieht für einzelne Maßnahmen der Geschäftsführung seine Zustimmung vor. Der Aufsichtsrat wird durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung bestellt, seine Abberufung erfordert vier Fünftel der Stimmen.
Die beklagte DRV Bund stellte jeweils die Versicherungspflicht der Kläger in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung fest. Nach Verbindung der drei dagegen erhobenen Klagen hat das SG festgestellt, dass keine Versicherungspflicht bestehe. Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Den Regelungen des Gesellschaftsvertrags könne keine Rechtsmacht der Kläger entnommen werden, unliebsame Weisungen und insbesondere ihre Abberufung als Geschäftsführer zu verhindern. Die Einrichtung des Aufsichtsrats habe lediglich zum Ausschluss direkter Weisungen durch die Gesellschafterversammlung geführt. Eine Sperrminorität hinsichtlich der Abberufung als Geschäftsführer sei nicht eingeräumt gewesen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 7, 7a SGB IV, des § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und des § 25 SGB III. Das Sonderrecht auf Geschäftsführung habe eine noch stärkere Wirkung als eine Sperrminorität. Die Möglichkeit, die Weisungsfreiheit als Geschäftsführer aus wichtigem Grund aufzuheben, führe nicht zu einer Weisungsgebundenheit, denn auch dem Mehrheitsgesellschafter könne aus wichtigem Grund als Geschäftsführer gekündigt werden. Selbst bei Abberufung des Aufsichtsrats seien sie umfassend weisungsfrei.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Mannheim - S 11 R 3713/16, 02.03.2018
Landessozialgericht Baden-Württemberg- L 8 BA 1226/18, 25.10.2019
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Terminbericht
Die Revision der Kläger ist erfolglos geblieben. Auch sie verfügten als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht über die eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen. Aus den unter B 12 KR 37/19 R genannten Gründen ändert daran auch das ihnen jeweils eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung nichts. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats und die ihm übertragene Überwachung der Geschäftsführung führt zu einem Weniger und nicht zu einem Mehr an Rechtsmacht aufgrund der Gesellschafterstellung. Mit dem in den Geschäftsführer-Dienstverträgen erklärten Verzicht des Aufsichtsrats auf "Gesellschafterweisungen" ist den Klägern - ungeachtet einer nicht eindeutigen Formulierung - noch keine umfassende Einflussmöglichkeit auf die gesamte Unternehmenspolitik der GmbH eingeräumt. Die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu einzelnen Maßnahmen eines Geschäftsführers bedingt nicht die hinreichende Rechtsmacht der anderen Geschäftsführer. Schließlich war den Klägern nach der vom Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung nur jeweils ein nach dem Geschäftsverteilungsplan zugewiesener Geschäftsbereich zur eigenverantwortlichen Leitung zugewiesen.
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