Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 13/20 R

Unfallversicherung - Arbeitsplatzbewerberin - Betriebsbesichtigung - Kennenlern-Praktikum

Verhandlungstermin 31.03.2022 11:00 Uhr

Terminvorschau

D.D. ./. BG Holz und Metall, beigeladen: UV Bund und Bahn
Die Klägerin bezog seit dem 1.3.2017 Arbeitslosengeld I und erhielt in dieser Zeit Termin- und Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit. Die Klägerin bewarb sich zusätzlich eigeninitiativ um eine Stelle als IT-Administrator/Operator bei dem Unternehmen F.H. Mit ihm schloss sie am 18.4.2017 eine “Kennenlern-/Praktikums-Vereinbarung“ und absolvierte an diesem Tag im Rahmen ihrer Bewerbung ein unentgeltliches eintägiges “Kennenlern-Praktikum“. Es fanden ua Gespräche, eine Betriebsführung, ein fachlicher Austausch mit der IT-Abteilung und die Besichtigung eines Hochregallagers des Unternehmens statt. Während der Besichtigung des Hochregallagers stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm. Die Beklagte lehnte ua die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Es habe kein Versicherungsschutz begründendes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Die Klägerin sei auch nicht als Wie-Beschäftigte versichert gewesen. Ebenfalls habe keine versicherte Aus- oder Fortbildung vorgelegen. Die Klägerin sei auch nicht als Teilnehmerin einer Betriebsbesichtigung versichert gewesen, welche die Satzung der Beklagten ausnahmsweise unter Versicherungsschutz stelle. Der für meldepflichtige Personen nach dem SGB III zuständige beigeladene Unfallversicherungsträger könne wegen einer gegenüber der Klägerin bereits bindenden Ablehnung eines Arbeitsunfalles nicht verurteilt werden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Es habe Versicherungsschutz als Beschäftigte bestanden, denn es habe eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung vorgelegen. In jedem Fall sei sie als Wie-Beschäftigte versichert gewesen, weil sie eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht habe. Andernfalls habe Versicherungsschutz als Teilnehmerin einer Betriebsbesichtigung oder Praktikantin kraft Satzung der Beklagten bestanden.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Augsburg - S 18 U 169/17, 15.02.2018
Bayerisches Landessozialgericht - L 3 U 117/18, 28.07.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 10/22.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Die Klägerin erlitt am 18.4.2017 einen Arbeitsunfall, als sie während des eintägigen “Kennenlern-Praktikums“ stürzte und sich den rechten Oberarm brach. Die Klägerin stand als Teilnehmerin einer Besichtigung kraft Satzung der Beklagten unter Unfallversicherungsschutz (§ 3 Abs 1 Nr 2 SGB VII iVm § 52 Abs 1 Buchst b der Satzung). Für die Beurteilung der Versicherteneigenschaft kommt es nicht auf den gesamten "Kennenlern-/Praktikumstag“ an, sondern auf die letzte unmittelbar vor dem Unfallereignis ganz konkret ausgeübte Verrichtung. Unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses besichtigte die Klägerin das Hochregallager des Unternehmens F.H. Dass die Klägerin dabei auch eigene Angelegenheiten - Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers - verfolgte, steht der Annahme einer versicherten Tätigkeit nicht entgegen. Nach der Satzungsregelung genügt für die Erfüllung des Versicherungstatbestandes die Teilnahme an einer Besichtigung, um Unternehmer umfassend von erhöhten Haftungsrisiken freizustellen, die durch Besichtigungen ihrer Unternehmen entstehen. Daher werden auch Bewerber bei Vorstellungsgesprächen erfasst, soweit sie das Unternehmen besichtigen.

Die zu dem Unfall führende Verrichtung war nicht nach anderen Vorschriften unfallversichert. Die Klägerin war während der zum Unfall führenden Verrichtung weder als Beschäftigte noch als Wie-Beschäftigte versichert. Eine Versicherung bei der Beigeladenen lag bereits mangels ausdrücklicher Meldeaufforderung der Bundesagentur für Arbeit nicht vor.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 10/22.

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