Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 7/21 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Medizinisches Versorgungszentrum - Anstellungsgenehmigung - Sonderbedarf - 10 Wochenarbeitsstunden

Verhandlungstermin 06.04.2022 12:00 Uhr

Terminvorschau

MVZ O. GmbH ./. Berufungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der KÄV Baden-Württemberg und 9 Beigeladene
Die Beteiligten streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob der Klägerin für das von ihr betriebene MVZ eine Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf für die Anstellung einer Ärztin mit einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,25) hätte erteilt werden können. Der Klägerin war vom Zulassungsausschuss die Genehmigung erteilt worden, den zu 8. beigeladenen Facharzt für Strahlentherapie im Sonderbedarf im Umfang von 31 Wochenstunden (Anrechnungsfaktor 1,0) anzustellen. In der Folgezeit beantragte die Klägerin die Genehmigung, die zu 7. beigeladene Fachärztin für Strahlentherapie im Sonderbedarf im Umfang von 10 (Anrechnungsfaktor 0,25), hilfsweise 20 Wochenstunden (Anrechnungsfaktor 0,5) anzustellen. Die Arbeitszeit des Beigeladenen zu 8. sollte entsprechend reduziert werden (künftig 30 Wochenstunden = Anrechnungsfaktor 0,75; hilfsweise 20 Wochenstunden = Anrechnungsfaktor 0,5). Nach Bejahung eines fortbestehenden Sonderbedarfs lehnte der Zulassungsausschuss den Hauptantrag ab, entsprach dem Hilfsantrag ab dem 1.4.2015 und reduzierte die Anstellungsgenehmigung für den Beigeladenen zu 8. entsprechend (drei gesonderte Beschlüsse vom 20.2.2015). Den allein gegen die Ablehnung einer Anstellungsgenehmigung mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 gerichteten Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss zurück. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben, wobei die Klägerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beigeladenen zu 7. die Klage im Berufungsverfahren als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt hat. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 ausgeschlossen sei. Nach § 36 Abs 8 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) könne zwar die Deckung des Sonderbedarfs durch Anstellung eines weiteren Arztes in der Vertragsarztpraxis des antragstellenden Vertragsarztes unter Angabe der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erfolgen. Zu dieser Regelung habe jedoch der GBA in den Tragenden Gründen ausgeführt, dass eine Teilanstellung mit den Faktoren 0,25 und 0,75 auf Grundlage von Sonderbedarf auszuschließen sei.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 53 Abs 1, § 51 Abs 1, § 36 Abs 7, 8 BedarfsplRL und § 19a Ärzte-ZV. Sie macht insbesondere geltend, dass die Erteilung von Anstellungsgenehmigungen mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 im Sonderbedarf ebenso möglich sein müsse wie bei “regulären“ Anstellungsgenehmigungen, weil die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung größtmögliche Flexibilität erfordere. Die Tragenden Gründe zu § 36 Abs 8 BedarfsplRL seien weder Bestandteil der BedarfsplRL noch komme ihnen Regelungscharakter zu.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 5 KA 5488/16, 28.11.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 5 KA 184/18, 28.04.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 13/22.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Senat hat auf die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage und unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile festgestellt, dass der allein streitgegenständliche Bescheid des beklagten Berufungsausschusses über die Ablehnung einer Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 rechtswidrig war. Die Erteilung einer solchen Anstellungsgenehmigung ist in der vorliegenden Konstellation, dass ein Sonderbedarf im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags fortbesteht, nicht von vornherein ausgeschlossen.

Zwar kommt die “isolierte“ Erteilung einer Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf im Umfang eines Viertels eines Versorgungsauftrags nicht in Betracht. Normativer Ausgangspunkt ist § 101 Abs 1 Nr 3 SGB V, der den GBA ermächtigt, Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher “Vertragsarztsitze“ zu beschließen. Ein Vertragsarzt kann aber bis heute nicht im Umfang von weniger als einem halben Versorgungsauftrag zugelassen werden. Für Anstellungsgenehmigungen im Wege des Sonderbedarfs kann hinsichtlich des abzudeckenden Versorgungsumfangs nichts anderes gelten. Besteht aber - wie hier - ein Sonderbedarf in diesem Mindestumfang, kann dieser auch durch mehrere Anstellungsgenehmigungen mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 gedeckt werden. Aus den Tragenden Gründen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu § 36 Abs 8 BedarfsplRL, an die der Senat nicht gebunden ist, folgt nichts Abweichendes.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 13/22.

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