Bundessozialgericht

Verhandlung B 7/14 AS 9/21 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - einmalige Einnahme - Überstundenvergütung - abschließende Feststellung 

Verhandlungstermin 18.05.2022 12:30 Uhr

Terminvorschau

L., A., M. vL. ./. Jobcenter Wesermarsch
Im Streit steht die Höhe abschließend festzustellender Leistungen nach vorläufiger Bewilligung von Alg II bzw Sozialgeld für die Zeit von Februar bis Juni 2018.

Der Kläger und die Klägerin zu 1 sind miteinander verheiratet und Eltern der 2013 geborenen Klägerin zu 3 Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum zunächst als Auszubildender zum Bäcker und ab Mitte Juni 2018 als Bäcker in Vollzeit erwerbstätig. Die Klägerin zu 1 erhielt 194 Euro monatlich Kindergeld für die Klägerin zu 3. Der Kläger erzielte von Februar bis Mai 2018 ein monatliches Arbeitsentgelt, das jeweils im Folgemonat ausgezahlt wurde. Im Mai floss dem Kläger zudem die Vergütung für 242,36 geleistete Überstunden von brutto 1805,58 Euro (netto 1441,29 Euro) zu. Der Beklagte bewilligte den Klägern wegen schwankenden Erwerbseinkommens Alg II bzw Sozialgeld jeweils vorläufig und verlangte im Rahmen der abschließenden Feststellung eine Erstattung für Mai 2018 von der Klägerin zu 1 iHv 168,41 Euro, von dem Kläger iHv 150,64 Euro und von der Klägerin zu 3 iHv 58,95 Euro. Seiner Berechnung legte der Beklagte für Februar bis Mai 2018 ua ein aus dem laufenden Arbeitsentgelt gebildetes Durchschnittseinkommen zugrunde. Die im Mai 2018 gezahlte Überstundenvergütung berücksichtigte er im Mai und Juni anteilig in Höhe von je 224,22 Euro.

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide und Klageabweisung im Übrigen verurteilt, den Klägern höhere Leistungen zu gewähren und entsprechend die jeweiligen Erstattungsforderungen verringert. Die im Mai zugeflossene Überstundenvergütung hat es dabei als einmalige Einnahme in Anwendung des § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II ab Juni 2018 monatlich anteilig berücksichtigt. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil aufgehoben, soweit es die Monate Februar bis April 2018 betrifft, für Mai geändert und den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen verurteilt, der Klägerin zu 1 weitere Leistungen zu bewilligen und die Erstattungsforderungen entsprechend verringert. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, für die Berechnung des Einkommens habe der Beklagte zutreffend je Einkommensart ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt. Die Überstundenvergütung sei als einmalige Einnahme, anders als dies das SG gesehen habe, zunächst nach § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II auf sechs Monate zu verteilen und habe daher in keinem Monat den Leistungsanspruch entfallen lassen. Daher sei § 41a Abs 4 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht einschlägig. Vor der Verteilung der einmaligen Einnahme sei diese nach § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II zu bereinigen. Bei abschließender Berechnung nach der Bedarfsanteilsmethode ergäben sich für die Kläger für Februar bis April 2018 keine weiteren Ansprüche; der Beklagte habe bereits höhere Leistungen bewilligt. Für Mai und Juni 2018 ergäben sich jeweils höhere Leistungen als abschließend festgestellt, wobei für Juni eine Korrektur zugunsten der Kläger ausscheide, da nur der Beklagte Berufungskläger sei.

Mit den vom LSG zugelassenen Revisionen rügen die Kläger und der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts im Hinblick auf die Berücksichtigung der Überstundenvergütung als einmalige Einnahme bei der abschließenden Feststellung.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Oldenburg - S 37 AS 1123/18, 27.08.2019
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 AS 173/19, 27.01.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 17/22.

Terminbericht

Die Revisionen der Kläger sind insoweit begründet, als sie für den Monat Mai 2018 gegenüber der Entscheidung des LSG und der abschließenden Festsetzung durch den Beklagten einen höheren Anspruch auf Alg II bzw Sozialgeld haben, mit der Folge einer Verringerung der Erstattungsforderungen des Beklagten. Sie konnten mit ihrem Begehren jedoch nicht vollständig durchdringen, so dass die Revisionen und Klagen insoweit zurück- bzw abzuweisen waren. Die Revision des Beklagten war erfolglos.

Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die abschließend festzustellenden Leistungen der Höhe nach von denen der vorläufig bewilligten in den streitbefangenen Monaten abweichen. Die nach § 41a Abs 4 SGB II aF geforderte Bildung eines Durchschnittseinkommens im Bewilligungszeitraum bei der abschließenden Feststellung führt zu einer höheren monatlichen Einkommensberücksichtigung gegenüber der bei der vorläufigen Bewilligung. Durch den Zufluss der Nachzahlung der Überstundenvergütung im Monat Mai 2018 ist im Bewilligungszeitraum (von Februar bis Juli 2018) über die laufenden Einnahmen hinaus einmaliges Einkommen zu berücksichtigen.

Grundsätzlich gilt insoweit, dass im Rahmen des § 41a Abs 4 Satz 1 SGB II aF die durchzuführende Bildung eines Durchschnittseinkommens alle Einkommensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums erfasst. Es ist je Einkommensart ein Durchschnittseinkommen zu berechnen und abschließend das Durchschnittseinkommen um die Absetzbeträge nach § 11b SGB II zu bereinigen. Bei den laufenden Einnahmen des Klägers zu 2 aus Erwerbstätigkeit ist insoweit Ausgangspunkt der Berechnung sein laufendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bewilligungszeitraum von Februar bis Juli 2018. Bei der einmaligen Einnahme ist nach § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II vorweg, also vor der in § 11 Abs 3 Satz 4 SGB II angeordneten Verteilung der einmaligen Einnahme auf einen Zeitraum von 6 Monaten - weil durch ihre Berücksichtigung in einem Monat der Leistungsanspruch entfiele - eine Absetzung der auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2, 5 und 6 SGB II vorzunehmen. Diese Regelung erfährt keine Änderung, nur weil die einmalige Einnahme in einem nächsten Schritt in die Bildung eines Durchschnittseinkommens im Rahmen der abschließenden Feststellung nach § 41a SGB II einfließt. Die einmalige Einnahme ist insoweit wie eine eigene Einkommensart zu behandeln.

Grundlage der Durchschnittseinkommensbildung ist mithin das bereinigte Gesamteinkommen aus laufendem Erwerbseinkommen und die bereinigte einmalige Einnahme. Das Durchschnittseinkommen aus laufendenden Einnahmen ist nach § 41a Abs 4 SGB II aF auf den Bewilligungszeitraum, also durch 6 Monate dividiert, monatlich gleichmäßig aufgeteilt zu berücksichtigen. Dies gilt im Grundsatz auch für die einmalige Einnahme. Allerdings ist sie der Höhe nach erst ab dem Folgemonat des Zuflusses, also ab Juni 2018, und damit bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums im Juli 2018 nur zu 2/6 ihres Gesamtbetrags zu berücksichtigen. Der so bestimmte Gesamtbetrag wiederum ist in Höhe von 1/6 auf jeden Monat des Bewilligungszeitraums zu verteilen und in die Bildung des Durchschnittseinkommens einzustellen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 17/22.

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