Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 8/21 R

Arbeitslosengeld - Bemessungsentgelt - fiktive Bemessung - Vorbezug - Stammrecht

Verhandlungstermin 25.05.2022 10:30 Uhr

Terminvorschau

A.S. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin war bis August 2014 als Personalleiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihr auf Grundlage eines Bemessungsentgelts von 193,33 Euro Arbeitslosengeld in Höhe von 58,67 Euro täglich ab dem 18.8.2014 und (nach einer Weiterbildungsmaßnahme) bis zum 17.7.2015. Ab dem 16.2.2015 nahm die Klägerin eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit auf, während der sie bei der Beklagten antragspflichtversichert war. Die Beklagte hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom selben Tag auf und bewilligte zugleich für die Dauer von sechs Monaten einen Gründungszuschuss. Nach Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit meldete sich die Klägerin am 5.5.2017 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihr auf Grundlage eines fiktiven Bemessungsentgelts Arbeitslosengeld in Höhe von 99,17 Euro für die Dauer von 360 Tagen ab dem 5.5.2017. Das Arbeitslosengeld sei fiktiv zu bemessen, weil die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe und sie zur Qualifikationsgruppe 2 zähle.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Höhe ihres Arbeitslosengelds sei auf der Grundlage des Bemessungsentgelts aus dem Vorbezug zu bestimmen; zumindest sei sie aber bei einer fiktiven Bemessung der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide verurteilt, der Klägerin höheres Arbeitslosengeld nach dem Bemessungsentgelt aus dem Vorbezug in Höhe von 193,33 Euro zu gewähren. Es sei die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs 4 SGB III anzuwenden. Hierfür genüge es, wenn innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums ein Stammrecht auf Arbeitslosengeld - hier bis zur Erschöpfung der Restanspruchsdauer am 17.7.2015 - bestanden habe.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 151 Abs 4 SGB III. Allein das Bestehen eines Stammrechts stelle keinen Bezug von Arbeitslosengeld im Sinne dieser Norm dar. Erforderlich sei auch, dass innerhalb des maßgeblichen Zwei-Jahres-Zeitraums die Anspruchsvoraussetzungen des § 137 Abs 1 SGB III vorgelegen hätten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Darmstadt - S 11 AL 229/17, 18.04.2019
Hessisches Landessozialgericht - L 7 AL 64/19, 19.02.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 20/22.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5.5.2017 bis zum 3.5.2018 hat. Allerdings ist das Arbeitslosengeld nicht nach § 151 Abs 4 SGB III zu bemessen. Bei der Berechnung des Arbeitslosengelds ist das dem Vorbezug zugrunde liegende Entgelt nicht als Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, wenn der Versicherte innerhalb von zwei Jahren vor der Entstehung des neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht zumindest für einen Tag dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der vorangegangenen Arbeitslosigkeit hatte. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung, Arbeitslose zu motivieren, auch eine ggf geringer entlohnte Beschäftigung anzunehmen. Anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zum “Bezug vom Arbeitslosengeld“ bei Bestehen eines Stammrechts, aber Ruhen des Anspruchs (Urteil vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R). Im vorliegenden Fall ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht lediglich, sondern es bestand bereits dem Grunde nach mangels Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Dass die Klägerin innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums vor der Entstehung des neuen Anspruchs am 5.5.2017 einen Gründungszuschuss der Beklagten bezogen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 151 Abs 4 SGB III stellt ausdrücklich allein auf den Bezug von Arbeitslosengeld ab, und der Bezug eines Gründungszuschusses ist als Leistung der aktiven Arbeitsförderung dem Bezug von Arbeitslosengeld nicht gleichzustellen. Der Senat kann aber nicht entscheiden, ob die Klägerin nicht einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld hat, weil sie der Qualifikationsgruppe 1 statt 2 zuzuordnen wäre.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 20/20.

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