Verhandlung B 3 KS 3/21 R
Künstlersozialversicherung - Abgabepflicht - Auftrag zur Erstellung einer Website
Verhandlungstermin
01.06.2022 12:30 Uhr
Terminvorschau
B. ./. Deutsche Rentenversicherung Nord, beigeladen: Künstlersozialkasse
Im Streit stehen die Feststellung einer Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung und eine nachgeforderte Künstlersozialabgabe.
Der klagende Rechtsanwalt beauftragte in 2017 einen Webdesigner mit der Erstellung einer Website für seine Kanzlei und zahlte hierfür in 2017 zunächst 750 Euro und sodann 1000 Euro netto. Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2012 bis 2017 stellte die beklagte Rentenversicherung die Abgabepflicht des Klägers nach dem KSVG fest und forderte die Künstlersozialabgabe für 2017 von 84 Euro nach. Der Kläger habe Aufträge an einen Webdesigner erteilt und dafür zwei Honorarzahlungen von insgesamt 1750 Euro geleistet. Die Grenze der nur gelegentlich erteilten Aufträge nach § 24 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 3 Satz 1 KSVG von 450 Euro sei hierdurch überschritten.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Berufung zugelassen. Das LSG hat die Künstlersozialkasse beigeladen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Anschlussberufung der Beigeladenen verworfen: Eine einmalige Auftragserteilung wie hier mit einem Entgelt von insgesamt mehr als 450 Euro erfülle schon begriffslogisch nicht das Tatbestandsmerkmal der nicht nur gelegentlichen Aufträge. Dies entspreche auch dem Grundgedanken des KSVG, zur Künstlersozialabgabe nur Unternehmen heranzuziehen, die eine arbeitgeberähnliche Position einnähmen; an dieser fehle es bei einem einmaligen Auftrag.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt (nur) die Beklagte die Verletzung von § 24 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 Satz 1 KSVG. Für eine Auftragserteilung im Sinne des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG seien entgegen dessen Wortlaut nicht zwingend mehrere Aufträge erforderlich. Abzustellen sei seit der Neufassung des § 24 Abs 3 Satz 1 KSVG zum 1.1.2015 ausschließlich darauf, ob die Summe der Entgelte eines Kalenderjahrs die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro übersteige. Die von der Rechtsprechung zur Rechtslage bis zum 31.12.2014 entwickelten Voraussetzungen der Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit einer Auftragserteilung seien mit der Neuregelung nicht aufgegriffen worden. Der Gesetzgeber habe sich auf das wirtschaftliche Ausmaß einer Auftragserteilung konzentriert und die typisierende Grenze von 450 Euro im Kalenderjahr in verfassungskonformer Weise bestimmt.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Hamburg - S 48 KR 2823/19, 29.10.2020
Landessozialgericht Hamburg - L 1 KR 120/20, 26.08.2021
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten war erfolglos. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass der Kläger nicht der Pflicht zur Zahlung der Künstlersozialabgabe unterliegt.
Zwar war die beklagte Rentenversicherung zuständig für die Prüfung der Künstlersozialabgabepflicht (§ 28p Abs 1a SGB IV). Die von der Beklagten festgestellte Abgabepflicht dem Grunde nach und die Nachforderung einer Künstlersozialabgabe in Höhe von 84 Euro für 2017 sind jedoch rechtswidrig. Zur Künstlersozialabgabe sind nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG ua Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen (sog Eigenwerber). Der Kläger ist als Rechtsanwalt Unternehmer in diesem Sinne und er hat mit der Erstellung einer Website für seine Kanzlei einen Webdesigner beauftragt. Das begründet indes noch nicht seine Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe. Abgabepflichtig ist nur, wer nicht nur gelegentlich Aufträge erteilt.
Hintergrund dessen ist, dass das BVerfG die Einbeziehung auch der Eigenwerbung treibenden Wirtschaft in die Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe angemahnt hatte, wenn diese Unternehmen wie die bereits zur Abgabe verpflichteten professionellen Vermarkter handeln (BVerfG vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 ua - BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1, juris RdNr 133 ff). Der Gesetzgeber hat dies mit § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG umgesetzt. In der Rechtsprechung des Senats hierzu ist die Voraussetzung der nicht nur gelegentlichen Auftragserteilung dahin konkretisiert worden, dass diese eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit und ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Ausmaß der Verwertung künstlerischer Leistungen erfordert, damit die arbeitgeberähnliche Position angenommen werden kann, die im Kern die Künstlersozialabgabe rechtfertigt (vgl BSG vom 30.1.2001 - B 3 KR 1/00 R - SozR 3-5425 § 2 Nr 11, juris RdNr 29; BSG vom 7.7.2005 - B 3 KR 29/04 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 7, juris RdNr 24; BSG vom 28.9.2017 - B 3 KS 3/15 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 21 RdNr 36).
Von dieser rechtlichen Ausgangslage hat sich der Gesetzgeber nicht gelöst, indem er mit Wirkung vom 1.1.2015 durch § 24 Abs 3 Satz 1 KSVG bestimmt hat (Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz vom 30.7.2014, BGBl I 1311), dass Aufträge nur gelegentlich erteilt werden, wenn die Summe der Entgelte aus den in einem Kalenderjahr erteilten Aufträgen 450 Euro nicht übersteigt. Vielmehr kann dieser Konkretisierung nur die zusätzliche Einführung einer Bagatell- bzw Geringfügigkeitsgrenze entnommen werden, nach der trotz mehrerer Aufträge in einem Kalenderjahr jedenfalls nicht abgabepflichtig ist, wessen Entgelte hierfür 450 Euro nicht übersteigen; hieraus kann indes nicht in einem Umkehrschluss die abschließende Regelung entnommen werden, dass der Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe jeder Unternehmer zwingend unterliegt, der in einem Kalenderjahr Künstler oder Publizisten beauftragt und hierfür Entgelt von mehr als 450 Euro gezahlt hat (so bereits BSG vom 8.10.2014 - B 3 KS 1/13 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 13 RdNr 24 und BSG vom 8.10.2014 - B 3 KS 6/13 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 43). Maßgeblich ist vielmehr nach wie vor, ob Auftrag und Entgelt dem Unternehmer eine arbeitgeberähnliche Position vermitteln, die auch unter Berücksichtigung des gesteigerten Rechtfertigungsbedarfs der für den Unternehmer von vornherein fremdnützigen Künstlersozialabgabe die Einbeziehung in die Abgabepflicht rechtfertigt (zum gesteigerten Rechtfertigungsbedarf zuletzt BVerfG vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12 ua - BVerfGE 149, 50 RdNr 77). Dies erfordert für Eigenwerber im Sinne des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG eine Bewertung unter Würdigung aller Umstände.
Ausgehend hiervon folgt aus der Beauftragung eines Webdesigners durch den Kläger zur Erstellung einer Website für seine Rechtsanwaltskanzlei und der Zahlung von insgesamt 1750 Euro netto hierfür in 2017 nicht bereits seine Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung. Eine Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit und ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Ausmaß der Verwertung von Kunst, die eine Gleichstellung mit den typischen professionellen Vermarktern im Sinne des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG rechtfertigt, lässt sich allein hieraus nicht entnehmen. Weitere Aufträge oder Entgelte des Klägers sind durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht festgestellt worden.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 19/22.