Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 16/20 R

Unfallversicherung - Wegeunfall - Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel - Unterbrechung - Weg zu Fuß

Verhandlungstermin 28.06.2022 12:00 Uhr

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R. R. ./. Unfallversicherung Bund und Bahn
Der als Zugbegleiter tätige und zwischenzeitlich verstorbene Lebenspartner des Klägers befand sich am 11.11.2015 auf dem Heimweg von seiner Arbeit am Leipziger Hauptbahnhof. Hierfür hatte er – wie üblich - die Straßenbahn gewählt, die er an diesem Tag zwischendurch verließ, um zu Fuß bei seiner Hausärztin ein Rezept abzuholen. Auf dem Weg von der Arztpraxis zur nächstgelegenen Straßenbahnhaltestelle in Richtung Wohnung wurde er beim Überqueren der Straße von einem PKW angefahren und erheblich verletzt.

Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. In den Vorinstanzen hatte die dagegen gerichtete Klage Erfolg. Das Landessozialgericht hat ausgeführt, bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Planung einer privatwirtschaftlich veranlassten Unterbrechung “am Wegesrand“ werde der Heimweg nicht erst fortgesetzt, wenn der Versicherte erneut in die Straßenbahn eingestiegen sei, sondern schon zu dem Zeitpunkt, in dem er parallel zum Straßenbahnverlauf erkennbar den Heimweg zu Fuß fortsetze.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII. Bei Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel sei - anders als bei Fußgängern – das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geforderte objektive Kriterium zur Unterbrechung und Wiederbegründung des Versicherungsschutzes erst durch das Erreichen/Verlassen der Haltestelle bzw das Ein- und Aussteigen aus dem Verkehrsmittel zweifelsfrei und klar abgrenzbar gegeben.

Vorinstanzen:
SG Leipzig - S 15 U 72/16, 13.12.2017
Sächsisches LSG - L 6 U 13/18, 04.03.2020

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Terminbericht

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht festgestellt, dass der verstorbene Lebenspartner des Klägers einen Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls erlitten hat, als er beim Überqueren der Straße von einem Pkw erfasst wurde. Er hatte seinen versicherten Heimweg mit der Straßenbahn vom Leipziger Hauptbahnhof bis zur Wohnung zwar mit dem Verlassen der Straßenbahn mehr als nur geringfügig unterbrochen, um sich in einer Arztpraxis ein Rezept zu holen.

Die Unterbrechung war zum Unfallzeitpunkt indes wieder beendet und der Versicherungsschutz erneut entstanden. Das Ende der Unterbrechung wird bei Nutzung der Straßenbahn nicht erst mit Erreichen der Haltestelle oder Einsteigen in die Straßenbahn markiert. Eine das Ende der Unterbrechung markierende Handlung wird objektiv bereits ab dem Zeitpunkt erkennbar, ab dem der Betroffene - wenn auch zunächst als Fußgänger - dieselbe Strecke in dieselbe Richtung zurücklegt wie das öffentliche Verkehrsmittel. Der Verstorbene hatte zum Unfallzeitpunkt den durch den Arztbesuch unterbrochenen Weg schon wieder aufgenommen. Er bewegte sich mit der Motivation nach Hause zu kommen im öffentlichen Verkehrsraum in die “richtige“ Richtung fort und hatte bereits den Punkt - den Kreuzungsbereich - wieder erreicht, den auch die Straßenbahn nutzt. Die marginale Abweichung von der optimalen Streckenführung lässt den Versicherungsschutz nicht entfallen.

Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel werden mit der aufgezeigten Differenzierung gegenüber Nutzern eines Kfz weder unzulässig bevorzugt noch gegenüber Fußgängern unzulässig benachteiligt. Unterschiede ergeben sich aus den Eigenheiten, die mit dem Einsatz der unterschiedlichen Fortbewegungsmittel verbunden sind.

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