Verhandlung B 12 R 1/20 R
Sozialversicherungsbeiträge - angestellte Rechtsanwälte - Beiträge zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung - beitragspflichtiges Arbeitsentgelt
Verhandlungstermin
28.06.2022 11:15 Uhr
Terminvorschau
Prof. Dr. N. M. S. ./. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, 17 Beigeladene
Der Kläger ist Rechtsanwalt und seit April 2009 alleiniger Inhaber seiner Kanzlei, in der die Beigeladenen zu 11. bis 16. als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte angestellt sind. Er unterhält eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, in der er selbst und die Beigeladenen jeweils persönlich versichert sind. Die Deckungssumme der Versicherung beträgt 2 Mio Euro pro Schadensfall und 4,5 Mio Euro pro Versicherungsjahr. Von 2010 bis 2012 zahlte der Kläger für die Versicherung jedes Beigeladenen jeweils einen Jahresbeitrag von 1417,20 Euro zuzüglich 19 vH Versicherungssteuer. Für seine eigene Versicherung fielen jährlich 1224,03 Euro nebst Steuer an. Für eine Versicherung mit einer Mindestdeckungssumme von 250 000 Euro pro Versicherungsfall und 1 Mio Euro pro Versicherungsjahr wären für die Beigeladenen jeweils 504,66 Euro nebst Steuer aufzuwenden gewesen.
Bis einschließlich 2009 führte die Rechtsanwaltskanzlei Beiträge zur Sozialversicherung unter Berücksichtigung der von ihr getragenen Beiträge zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung als geldwerte Vorteile zugunsten der Beigeladenen ab. Wegen der insoweit ab 2010 unterbliebenen Beitragszahlung forderte die beklagte DRV Mitteldeutschland für die Jahre 2010 bis 2012 Beiträge und Säumniszuschläge von 5563,11 Euro nach. Die Beiträge zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte seien beitragspflichtiges einmaliges Arbeitsentgelt. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH darauf hingewiesen, dass die beigeladenen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen nach dem Berufsrecht zum Abschluss sowie zur Unterhaltung der Haftpflichtversicherung verpflichtet seien und insofern ein überwiegendes Eigeninteresse an der Versicherung und Übernahme der Beiträge durch den Kläger hätten. Das gelte auch für die über die Mindestdeckung hinausgehende Versicherung. Sie decke ein sich bei Angestellten zwar nur selten verwirklichendes Risiko ab, gänzlich ausgeschlossen sei ein Haftungsfall aber nicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 14 Abs 1, § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV iVm § 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung und von § 51 BRAO. Die Haftpflichtversicherung bestehe überwiegend zu seinen eigenen Gunsten, denn im Falle eines Schadens hafte er als Kanzleiinhaber allein, auch für das Verschulden seiner Angestellten.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Halle - S 3 R 985/13, 19.05.2015
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 1 BA 27/18, 11.03.2020
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Terminbericht
Die Beklagte hat nach einem Hinweis des Senats auf die Rechtsprechung des BFH zum Einkommensteuerrecht (Urteile vom 1.10.2020 ‑ VI R 11/18 ‑ BFHE 270, 475 und ‑ VI R 12/18 ‑ BFHE 270, 484; Urteil vom 15.12.2021 ‑ VI R 32/19 ‑ juris) die angefochtenen Verwaltungsakte insoweit zurückgenommen, als Sozialversicherungsbeiträge auf einen Versicherungsbeitrag von mehr als 600,55 Euro jährlich erhoben und insoweit Säumniszuschläge festgesetzt worden waren.
Die darüber hinausgehende Revision des Klägers hat der Senat zurückgewiesen. Seine Übernahme des für die Mindesthaftpflichtversicherung der beigeladenen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen nach § 51 Abs 1 und 4 BRAO jeweils aufzuwendenden Versicherungsbeitrags von 600,55 Euro stellt für diese einen geldwerten Vorteil und damit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar. Die für die Erteilung und Aufrechterhaltung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft notwendige Mindesthaftpflichtversicherung liegt im Interesse der Beigeladenen. Die sie persönlich treffende Pflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, hat der Kläger zu ihren Gunsten erfüllt.
In Bezug auf die rechtmäßige Beitragsforderung hat die Beklagte auch zu Recht Säumniszuschläge festgesetzt. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht hat, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt hätte.
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